Putin und der Brexit
Verwerfungen in der EU könnten auch Auswirkungen auf die Position der NATO haben und dadurch den Druck auf Russland verringern
Der ehemalige indische Top-Diplomat MK Bhadrakumar geht auf Asia Times Online der Frage nach, was der Ausstieg Großbritanniens aus der EU für Russland bedeuten könnte. Zum einen sieht er eine gewisse Entspannung für Moskau, weil die Position des Westens geschwächt würde.
Noch vergangene Woche habe Russlands Präsident Wladimir Putin angesichts des Truppenaufmarschs der NATO an Russlands Nordwestgrenze im Parlament vor einer Bedrohung vergleichbar zur deutschen Invasion vor 75 Jahren gewarnt. Tage später habe er bei einem Treffen in Taschklent einen wesentlich entspannteren Eindruck gemacht. Russische Kommentatoren hätten den Brexit außerdem durchweg als Zeichen interpretiert, dass die Sanktions-Front gegen Russland geschwächt worden sei. Besondere Hoffnungen werden offenbar auf Boris Johnson gesetzt, der als Sanktionsgegner gelte.
Der Autor weist außerdem auf die Vermittler-Rolle hin, die London bisher in der EU gespielt habe und die nun fehlen werde. Gemeint ist damit vermutlich die Überbrückung des schwelenden Widerspruchs zwischen den bisher auf weitgehende Integration setzenden EG-Gründungsmitgliedern (Deutschland, Frankreich, Italien, Benelux) und den auf ihre Selbständigkeit achtenden Osteuropäern.
Bhadrakumar wirft außerdem die Frage auf, welche Folgen die Entwicklungen in der EU für Eurasien haben werden. Putin verfolge dort das Konzept einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem Iran, China und Indien, was unter anderem darauf ziele, Chinas wachsenden Einfluss und dessen Seidenstraßenprojekte in einen multilateralen Rahmen einzubinden. Seine Probleme mit dem Westen und der NATO haben ihn da zuletzt in gewisser Weise erpressbar gemacht, vor allem zum Vorteil Chinas. Eine Schwächung der EU würde also auch weit im Osten das Gleichgewicht der Kräfte beeinflussen.
Wie dem auch sei, bei Putins Besuch bei seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping haben am Wochenende beide Seiten die strategische Partnerschaft der beiden Länder unterstrichen und zahlreiche Verträge unterschrieben, wie die britische Zeitung Guardian berichtet. Unter anderem werden sich chinesische Unternehmen zu 40 Prozent an einem neuen petrochemischen Komplex in Russland beteiligen. Insgesamt werde derzeit über 58 ökonomische Projekte mit einem Gesamtumfang von umgerechnet 50 Milliarden US-Dollar gesprochen, zitiert das Blatt Angaben des russischen Präsidenten.