Ratschläge an die Jugend

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China, die USA und die langen Bögen der Weltgeschichte

Kishore Mahbubani, Politikwissenschaftler und lang gedienter Ex-Diplomat des südostasiatischen Stadtstaats Singapur, den er mehr als zehn Jahre bei den Vereinten Nationen vertrat, hat eine Botschaft, die man in den USA, aber auch bei deren europäischen Verbündeten nicht gerne hören wird.

In den letzten 2000 Jahren seien die größten Volkswirtschaften des Planeten meist die Indiens und Chinas gewesen. Europa sei erst im 19. Jahrhundert und die USA erst im 20. aufgestiegen. Die vergangenen 200 Jahre der Weltgeschichte seien eine historische Fehlentwicklung gewesen und alle Fehlentwicklungen kämen einmal zu einem natürlichen Ende.

Mahbubani ist keinesfalls der Erste, der diese weitere historische Perspektive einnimmt. Er beruft sich auf den 2010 verstorbenen britischen Wirtschaftshistoriker Angus Madison, der für seine, große Zeiträume und Weltregionen umspannenden ökonomischen Betrachtungen bekannt war. Seine Arbeit wird seit 2010 in dem im niederländischen Groningen angesiedelten Madison Project fortgesetzt, das seinen Arbeitsansatz und wissenschaftliche Ziele hier beschreibt.

Auch der Ökonom und Weltbürger André Gunder Frank hatte schon vor über 25 Jahren über eine Reorientalisierung der Welt geschrieben. Der Schwerpunkt des Welthandels sei erst um den Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Fernen Osten nach Westeuropa gewandert, dann über den Atlantik und beginne nun, gegen Ende des 20. Jahrhunderts, über den Pazifik zurück zu seinem Ursprung zu kommen.

Doch zurück zu Mahbubanis Lehren für die US-Regierung, die diese eventuell als ein wenig herablassend ansehen wird. China gebe es seit 5.000 Jahren, so Mahbubani, die USA seit 250 Jahren. Es sei nicht erstaunlich, dass ein Jugendlicher wie die USA Schwierigkeiten habe, mit einer weiseren und älteren Zivilisation umzugehen.

Die USA hätten kein Verständnis für die längeren Bögen der Menschheitsgeschichte. Es sei vollkommen natürlich, so Mahbubani, dass der Westen sich auf sein normales Maß an Macht zurückziehe, ebenso wie der Wiederaufstieg Chinas und nachfolgend auch Indien nichts Ungewöhnliches habe.

Indien wird in den nächsten Jahren China als bevölkerungsreichstes Land ablösen. Zusammen werden die beiden asiatischen Giganten dann fast ein Drittel der Weltbevölkerung beheimaten, allerdings mit leicht abnehmender Tendenz. In China wird die Bevölkerung demnächst ebenso wie in den USA und Europa ohne Einwanderung zu schrumpfen beginnen, und in Indien hat sich das Wachstum bereits sehr stark abgeflacht.

China steigt also ökonomisch immer weiter auf und hat bereits – wenn man das Bruttonationalprodukt in Kaufkraftparitäten und nicht nach Wechselkursen berechnet – die USA etwa Mitte des letzten Jahrzehnts als die ökonomische Nummer eins abgelöst.

Doch die Volksrepublik, so Mahbubani, bedrohe die USA nicht. Sie bereite keine Invasion vor, sie schicke keine Truppen an die US-Grenzen oder Marine-Einheiten vor die US-Küsten. China wisse, dass seine Wirtschaft von der Prosperität der US-Mittelklasse abhänge, und es unterstütze das auf Regeln aufgebaute UN-System.