Rettungsantrag als spanische "Option"
Die Arbeitslosigkeit steigt genauso weiter wie die Finanzierungsprobleme von Banken und Regionen
Die konservative Regierung bereitet die Öffentlichkeit auf einen Rettungsantrag Spaniens vor. Die Generalsekretärin der konservativen Volkspartei (PP) erklärte am Dienstag, eine Rettung Spaniens "muss nicht negativ sein". Sie dürfe "nicht verteufelt" werden, sagte María Dolores de Cospedal, dabei hatte ihre PP sie lange ausgeschlossen. Die enge Vertraute von Ministerpräsident Mariano Rajoy springt damit Wirtschaftsminister Luis de Guindos bei. Vor dem Spanien-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag, sprach auch der Wirtschaftsminister von der Rettung über die bisher beantragte Bankenrettung hinaus als eine "Option". So zitierte das Handelsblatt den Minister in der Dienstagsaufgabe. "Erst einmal müssen die Bedingungen geklärt sein", sagte De Guindos mit Blick auf die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag.
Spanien will Merkel davon überzeugen, dass Anleihekäufe durch die EZB geeignet sind, um die hohen Zinsen für Staatsanleihen zu senken und damit die "Schlacht um den Euro" zu gewinnen. Für De Guindos ist Spanien der "Wellenbrecher". Voraussetzung für EZB-Anleihekäufe ist aber ein Rettungsantrag. Erst danach kann der temporäre Rettungsfonds (EFSF) spanische Anleihen kaufen, um die Refinanzierungskosten zu senken. Das ist mit Kontrollen und Auflagen verbunden und erst danach kann auch die EZB Anleihen kaufen.
Doch die Bundesbank wehrt sich gegen die EZB-Ankäufe, weil neue Risiken auf die Zentralbank EZB verlagert werden. Bundesbankpräsident Jens Weidmann sprach bei einer Staatsfinanzierung über die EZB davon, sie könne "süchtig machen wie eine Droge". Ihre Aufgabe ist, für Geldwertstabilität zu sorgen. Mit der Staatsfinanzierung über die Notenpresse steigen aber Inflationsgefahren. Massive Ankäufe von griechischen, irischen und portugiesischen Anleihen konnten zudem deren Zinsen nicht erfolgreich senken. Ob das in Spanien gelingt, dessen zehnjährige Anleihen weiter zu knapp sieben Prozent deutlich zu hoch sind, wird bezweifelt.
Die Zweifel an dem Land steigen, weil sich dessen Lage gefährlich zuspitzt
Mitten im Tourismus-Sommer ist die Arbeitslosigkeit im August gestiegen. Nach der leichten Entspannung in den Vormonaten gingen erneut 40.000 Stellen verloren. Doch die Sozialversicherung hat sogar 140.000 Beitragszahler verloren. Da viele Arbeitslose auch über befristete Beschäftigung in der Tourismusindustrie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben, fallen sie aus der Statistik des Arbeitsministeriums heraus, das 4,6 Millionen Arbeitslose zählt. Das Statistikamt spricht schon von 5,7 Millionen und einer Quote von 25 Prozent.
Nun laufen viele befristete Verträge aus und eine Kündigungswelle im öffentlichen Dienst hat auf Grund des harten Sparkurses erst begonnen. Die Arbeitslosigkeit zehrt an den Sozialkassen. Erstmals musste die Rentenversicherung auf Reserven zurückgreifen, weil die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken. Im Juli wurden 4,4 Milliarden Euro entnommen, um Renten bezahlen zu können. 8,1 Millionen Rentner stehen nur noch knapp 17 Millionen Beitragszahlern gegenüber. Auch hier drohen bald neue Löcher in den Staatsfinanzen.
Einige Regionen stehen vor der Pleite und brauchen Geld von der Zentralregierung, weil sie schon von den Finanzmärkten abgeschnitten sind. Katalonien hat einen Rettungsantrag beim nationalen Rettungsfonds (FLA) gestellt und braucht mehr als fünf Milliarden Euro, um fällige Anleihen bezahlen zu können. Hatte Valencia bisher den Finanzbedarf auf 3,5 Milliarden beziffert, will es nun 4,5 Milliarden beantragen. Diese beiden Regionen schöpfen also mehr als die Hälfte der 18 Milliarden Euro aus, mit denen Madrid den FLA nur ausstatten will.
Doch auch Murcia, Kastilien-La Mancha, Andalusien und andere brauchen dringend Geld. Insgesamt 35 Milliarden Euro zur Refinanzierung alter Schulden müssen die Regionen 2012 noch aufbringen. Dazu fehlt ihnen oft Geld, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Andalusien braucht schnell eine Milliarde Euro und will eine Vorauszahlung aus Madrid, noch bevor der FLA arbeitsfähig ist, der im September starten soll. Die bevölkerungsreichste spanische Region hofft, mit dieser Summe die erste Zeit überbrücken zu können.
Da noch immer keine Tranche zur Rettung spanischer Banken geflossen ist, braucht auch die große verstaatlichte Bankia-Bank nun schnell 4,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse, um Verluste aus dem ersten Halbjahr abzudecken. Mit sofortiger Wirkung springt die Regierung über den Bankenrettungsfonds (FROB) ein, um sicherzustellen, dass die Bank über die gesetzlich vorgeschrieben Eigenkapitalquote verfügt. Die Summe toxischer Immobilienkredite ist allein bei den vier bisher verstaatlichten Banken im ersten Halbjahr um 19 Milliarden Euro auf 75 Milliarden Euro gestiegen. Nach Angaben der gut informierten Zeitung El País traut man in Brüssel den Zahlen nicht, die spanische Konservative liefern. Im Juli hatte der Wirtschaftsminister De Guindos behauptet, die erste Tranche in Höhe von 30 Milliarden Euro für die Bankenrettung werde in wenigen Tagen oder Wochen überwiesen, doch bisher ist nichts geschehen. Die EU-Kommission wolle noch die Ergebnisse der Prüfungsgesellschaften abwarten, bevor real ausgezahlt wird.