Russland stürzt immer tiefer in die Krise

Die Wirtschaftsleistung schrumpfte im April um 10,5 % und 2010 braucht Russland sogar internationale Kredite.

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Auch die russische Regierung wird, und zwar deutlich, ihre bisherige Prognose über die Wirtschaftsleistung des Landes anpassen. Nach der bisher noch gültigen Prognose soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Russlands in diesem Jahr um 2,2 % schrumpfen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht allerdings schon davon aus, dass es 6 % werden.

Doch damit könnte auch der IWF noch zu kurz greifen: "Im ersten Quartal wurde beim BIP ein Rückgang von 9,5 % registriert, deutlich mehr als erwartet. Wir erstellen jetzt eine neue Prognose für das BIP-2009, das erheblich stärker zurückgehen wird", sagte der russische Vizeregierungschef und Finanzminister Alexej Kudrin. Dass die Industrieproduktion im April im Vergleich zum Vorjahr um 17 % gefallen ist und der BIP im April sogar um 10,5 % schrumpfte, weist darauf hin, dass die Talfahrt anhält. Neben fallenden Einnahmen steigen auch die Ausgaben weiter, obwohl der Ölpreis derzeit mit etwa 60 US-Dollar deutlich über den 41 Dollar liegt, die bei der Berechnung des Haushalts zu Grunde gelegt wurden. Deshalb werde auch das Haushaltsdefizit höher ausfallen bislang geplant sei. "Die Risiken bleiben, das Defizit dürfte weiter wachsen", sagte Kudrin.

Verantwortlich für die höheren Ausgaben ist auch die Arbeitslosigkeit. Inzwischen haben sich in Russland knapp 8 Millionen Personen – etwa 10 % - arbeitslos gemeldet, bis zum Jahresende wird eine Quote von 13 % erwartet. Deshalb sinkt auch der Konsum. Die Umsätze im Einzelhandel lagen im April 5,3 % unter dem Niveau des Vorjahres. So zeichnete auch der russische Präsident Dmitri Medwedew ein pessimistisches Bild. Die Rezession in Russland erweise sich als tiefer als erwartet. Medwedew rechnet damit, dass das erste Haushaltsdefizit während eines Jahrzehnts in diesem Jahr gleich 7 % des (BIP) ausmachen dürfte. Dabei handelte es sich noch sogar noch um eine positive Einschätzung. Er stimmte deshalb die Bürger darauf ein, die Gürtel enger zu schnallen, auch wenn Medwedew nicht sagte, an welchen Stellen gespart werden soll.

Da die Finanzreserven aus dem Ölpreis-Boom bald aufgebraucht sind, braucht Russland im nächsten Jahr wieder Kredite. Die Regierung geht derzeit davon aus, dass man sich im Ausland 2010 mindestens 7 Milliarden Dollar leihen muss. Die Reserven wurden weitgehend zur Stützung des abstürzenden Rubels und in Konjunkturprogrammen verbraten. Doch weder hat das Konjunkturpaket von rund drei Billionen Rubel (etwa 67 Milliarden Euro) die Wirtschaft stabilisiert, noch konnte der Rubel wirklich stabilisiert werden. Die derzeitige relative Stärke verdankt er einem schwachen Dollar und hohen Zinsen, wegen denen Spekulationsgeld fließt.

Angesichts der russischen Bestrebungen, dem Rubel auch eine Funktion einer Leitwährung zukommen zu lassen, wird erwartet, dass es zu Veränderungen beim so genannten Zwei-Währungs-Korbes kommt. Der Währungskorb, zu 45 Prozent aus Euro und zu 55 Prozent aus Dollar, dient zur Orientierung bei der Festlegung des Rubelkurses. Dieser virtuelle Korb besteht zu 45 Prozent aus Euro und zu 55 Prozent aus Dollar. Der aktuelle Nennwert des Korbes beträgt 37 Rubel. Der russische Radiosender Business FM hatte jüngst berichtet, die Zentralbank wolle den Anteil des Euro im Korb auf 55 und später auf 60 Prozent anheben, weil dem Dollar nicht mehr vertraut werde. Mit China sorgt sich auch Russland um den Wert seiner Dollarbestände.

Dass die Schwäche des US-Dollar wohl von fundamentalerer Natur ist, zeigt sich daran, dass die Abschwächung des Euro gegenüber dem Dollar mit der Senkung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) nicht eingetreten ist. Nach der üblichen Theorie müsste der schwindende Zinsvorsprung den Euro gegenüber dem Dollar schwächen. Obwohl die EZB den Leitzins auf nun 1 % gesenkt hat und sich damit der Nullzinspolitik der USA näher, tritt der Effekt aber nicht ein.