Schön schräg
Zwischen skurrilem Einfallsreichtum und Traditionsästhetik: die DVD "Genius Party"
Die Wachowski-Brüder, die Macher der Matrix-Trilogie, ließen sich vom asiatischen Animationsfilm inspirieren, denn die Bildästhetik, die Stilisierung des Augenblicks, hatte es ihnen angetan. Aus Matrix wiederum entstanden die Animatrix-Streifen, die der japanischen Animationsschmiede Studio 4°C zum Durchbruch verhalfen. Jetzt erscheint hierzulande deren DVD Genius Party. Sie zeigt, welch hohen künstlerischen Anspruch fernöstliche Animationsfilmer an sich stellen.
Sieben "Kurzfilme" sollen laut dem Kölner Verleih Rapid Eye Movies darauf zu sehen sein, doch schon das erste Werk ähnelt mehr einem Musikvideo: Vor der Soundkulisse eines von Didgeridoo- und Percussionklängen geprägten Technostücks erscheint ein Strauß-ähnliches Geschöpf, das dem Traum hinterher sehnt, fliegen zu können. Als es einem Steinkopf dessen Herz entreißt und dies schluckt, wachsen dem Wesen Flügel. Es fliegt davon. Daraufhin verspeist es eine gen Himmel schwebende Pflanze und transformiert sich in einen betörenden Lichtstrahl… Diese Bilder kommen mit so viel Verve daher, dass man sich sofort an die Blütezeit der MTV-Ära erinnert, mit ihren extravaganten Clips.
Einen Film, den man sich gern mehrmals anschaut, stellt die dritte Geschichte mit dem Titel Deathtic 4 dar: Ein kleiner Junge namens Gelf findet einen Frosch, den er gemeinsam mit drei angeblichen Superhelden wieder zurück in seine Welt bringen will. In seine Welt? Ja, in seine Welt, denn diejenige, in der Gelf lebt, ist das Reich der Toten. Düster ist es hier, ohne Frage. Zudem sieht das Ambiente eklig und morbide aus. Das Beste aber sind die skurrilen Charaktere; einer ist verschrobener als der andere. Das erinnert sofort an Tim Burtons ausgefallenen Sinn für Humor, insbesondere dann, wenn ein rot gekleideter Wächter auf seinem Drahtesel angerollt kommt und entdeckt, dass Gelf und Co. ein Lebewesen bei sich haben. Der Wächter schlägt Alarm, indem aus seinem Gesicht eine Kuhdose herausspringt, die er umdreht – ja, genau wie der Ton wie aus der Fernsehwerbung einer bekannten Milchproduktionsfirma…
Die restlichen Werke bewegen sich hingegen auf typisch japanischem Niveau, bieten eben die weitgehend gewohnte Ästhetik aus Fernost: Ein Junge, dem unentwegt der Rotz aus der Nase läuft, mutiert zu einem Superhelden à la Viewtiful Joe, ein junger Mann kämpft gegen seinen Doppelgänger, ein Baby erlebt einen sagenhaft abgefahrenen Albtraum und ein Jugendlicher nimmt Abschied von seiner Sandkastenliebe. Einzige Ausnahme stellt Werk Numero fünf dar: Limit Cycle. Dabei handelt es sich um keinen Film im üblichen Sinn, vielmehr ist es eine illustrierte Kopfgeburt, der man schlecht folgen kann. Denn Sätze wie "Warum hat Gott uns Gebete gegeben?" und "Jeder erschafft Gott für sich selbst" prasseln wie ein Maschinenwehr auf den Zuschauer ein. Da faszinieren die anderen Streifen bei weitem mehr.