Schulstreiks: Ignorierte Warnungen

29. März 2019, Berlin. End_of_the_FridaysForFuture_demonstration_Berlin_29-03-2019_02.jpg:Foto: Leonhard Lenz /CC0

Heute wieder Streiks. Schon vor 32 Jahren, als die derzeitige Wissenschaftlergeneration bestenfalls im Grundstudium steckte, gab es präzise Warnungen vor dem Klimawandel

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Immer wieder Freitags. In 70 Ländern von Argentinien bis Vanuatu sind für heute Aktionen und Schulstreiks von Schülern angemeldet, die von ihren Regierungen konsequenten Klimaschutz fordern. In Deutschland ging es in vielen Städten schon am Vormittag los. Zum Beispiel in Neukirchen (Saarland), in Essen, in Köln und in Hamburg. Auch in München, wo heute erste Sanktionen drohen. Seit 12 Uhr wird bayernweit mobilisiert.

Die Drohungen könnten juristisch fragwürdig sein, meint Felix Ekhardt, der im Auftrag des Solarenergiefödervereins ein Rechtsgutachten erstellt hat. Etwaige amtliche Schreiben sollten aber nicht ignoriert werden, rät der habilitierte Jurist, der die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin leitet. Im verlinkten Gutachten finden sich Hinweise, was gegebenenfalls zu unternehmen ist.

Warnungen vor 32 Jahren

Die Schüler sind ja unter anderem deshalb so aufgebracht, weil sie sich von den älteren Generationen durch deren Untätigkeit um ihre Zukunft betrogen fühlen. Das ist nachvollziehbar, wie eine gemeinsame Erklärung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) aus dem Jahre 1987 und deren Nichtbeachtung seitens der damals Regierenden – Angela Merkel war seit 1994 Bundesumweltministerin – zeigt.

Ich fand das Dokument dieser Tage beim Stöbern in alten Studienunterlagen und möchte ein wenig daraus zitieren:

"Es besteht der begründete Verdacht, dass schon innerhalb der nächsten 100 Jahre die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche durch Anreicherung
- an Kohlendioxid um 1,5 bis 4,5 °C,
- an den anderen Spurengasen um annähernd weitere 1,5 bis 4,5 °C,
- insgesamt also um eta 3 bis 9 °C ansteigen wird,
wenn die bisher beobachtete Zuwachsrate in etwa konstant und die Verzögerung durch die hohe Wärmekapazität des Ozeans gering bleibt."
"Der erforderliche Strukturwandel in der Energietechnik, Energiewirtschaft und Energiepolitik muss jetzt beginnen, damit er langsam vollzogen werden kann; denn später notwendige sehr schnelle Änderungen würden, soweit überhaupt möglich, in vielen Bereichen nachteilig oder schädlich wirken."
"Von den jetzt bekannten abbaubaren Vorräten aus fossilen Brennstoffen, mindestens 900 Milliarden t SKE, dürfte also nicht einmal ein Drittel verbraucht werden."
"Würde mit den Einschränkungen erst nach ein bis zwei Jahrzehnten begonnen, nachdem bereits deutliche Klimaänderungen sichtbar geworden sind, müsste die Reduktion der Emissionsraten innerhalb von 2 bis 3 Jahrzehnten auf ein Viertel der heutigen Werte erfolgen. Dies bedeutet eine Verminderung der Emissionsraten um ca. 7% pro Jahr (...)"

Das war 1987. Heute sind die "deutlichen Klimaänderungen" längst sichtbar und die meisten Politiker tun noch immer so, als wäre Jahrzehnte Zeit. Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung kommt heute hingegen, wie berichtet, auf sechs Prozent jährliche Reduktion für Deutschland ab sofort, um den Temperaturanstieg auf 1,75 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.

Seinerzeit hielten die Wissenschaftler derlei drastische Reduktionen für "nicht realisierbar". Heute haben wir keine andere Wahl, wenn Schlimmeres verhindert werden soll.

Da das Netz wenig vergisst, lässt sich die Erklärung der beiden Gesellschaften inzwischen auch im Internet finden, und zwar als PDF. DPG und DMG waren seinerzeit westdeutsche Gesellschaften, aber eine entsprechende Fachdiskussion gab es bereits international, auch in der DDR.

Die Erklärung schloss: "Die Klimaänderungen sind – abgesehen von einem Krieg mit Kernwaffen – eine der größten Gefahren für die Menschheit". Daran hat sich wenig geändert.

----------------------------------------------------------------

Telepolis ist Mitglied im Partnerschaftsprogramm der Buchkomplizen, der politisch korrekten Alternative zu Amazon.

(Bild:  )

Stefan Bonner, Anne Weiss: Generation Weltuntergang. Warum wir schon mitten im Klimawandel stecken, wie schlimm es wird und was wir jetzt tun müssen.