Späte Hoffnung für spanische Diktatur-Opfer
Während Argentinien die Auslieferung spanischer Folterer fordert, prüft die UNO nun Maßnahmen zur Aufklärung der Verbrechen
Die Franco-Opfer haben darauf seit fast 40 Jahren gewartet, aber nun kommt Bewegung in die Aufarbeitung der blutigen spanischen Geschichte. Letzte Woche hatten internationale Haftbefehle aus Argentinien gegen spanische Folterer für Aufregung im Land gesorgt. Nun hat südamerikanische Land nachgelegt. Es öffnet seine Konsulate und Botschaften für die Diktatur-Opfer. Das hatte die Richterin María Servini de Cubría gefordert, die die Haftbefehle ausgestellt hat. Es sei die "Pflicht aller Staaten", die franquistischen Kriminellen zu bestrafen, die nach einem "Plan zur Eliminierung der Gegner" vorgegangen worden.
Nun können die Franco-Opfer in den argentinischen Vertretungen weltweit ihre Aussagen machen und Anzeigen erstatten. Sie müssen nicht mehr extra nach Buenos Aires reisen, um die Sammelklage von spanischen Opfern in Argentinien zu unterstützen. Diese Klage hatte Darío Rivas 2010 angestrengt. Im Rahmen der universellen Gerichtsbarkeit hatte sich der heute 93-Jährige an die argentinische Justiz gewandt, weil die Verbrechen in seiner Heimat nach dem Tod Francos 1975 amnestiert worden waren. Ihr haben sich mehr als 250 Kläger angeschlossen. Rivas will den Tod seines Vaters aufklären und die Täter bestraft wissen. Der war sozialistischer Bürgermeister der Gemeinde Castro Rei in Galicien und wurde ein Jahr nach dem Putsch 1936 von den Putschisten ermordet.
Auf Basis der Anklagen hat Servini die Haftbefehle gegen vier Anhänger des Franco-Regimes ausgestellt. Es handelt sich um das 74-jährige ehemalige Mitglied der paramilitärischen Guardia Civil, den 78-jährigen ehemaligen Leibwächter von Franco und des Königshauses Celso Galván Abascal und den ehemaligen Polizisten José Ignacio Giralte González (71) und seinem Kollegen Juan Antonio González Pacheco (66), der den Spitznamen "Billy the Kid" trug und besonders leidenschaftlich gefoltert haben soll. Alle wohnen in der Hauptstadt Madrid oder in ihrer Umgebung. Die Opfer können sich noch sehr gut an die erlittenen Qualen und an ihre Folterer erinnern. Sie haben ausführliche Aussagen gemacht, die Servini in der mehr als 200-seitigen Anklageschrift dokumentiert.
Opferverbände wie das Forum für eine Historische Erinnerung oder die Vereinigung für die Wiederherstellung der Historischen Erinnerung" ( ARMH sprechen von einer "historischen Entscheidung“. Sie hoffen nun auch auf Gerechtigkeit in Spanien. Auch in Argentinien waren einst die Verbrechen der Diktatur amnestiert worden. Anders als in Spanien werden die Verantwortlichen jedoch längst zur Verantwortung gezogen, denn dort wurden die Amnestiegesetze 2003 aufgehoben. Das soll über den Umweg nun auch in Spanien geschehen, da nach internationalem Recht Verbrechen gegen die Menschlichkeit weder verjähren noch amnestiert werden können.
Spanien hat bisher Ermittlungen konsequent verhindert und sogar die universelle Gerichtsbarkeit im Land abgeschafft. Gespannt wird erwartet, ob es den Auslieferungsgesuchen stattgibt. Die Staatsanwaltschaft hat sich am Dienstag zunächst gegen die Verhaftung der Betroffenen ausgesprochen. Die hatte dagegen 2010 Ermittlungsrichter Baltasar Garzón wegen Rechtsbeugung angeklagt, der vom Dienst suspendiert worden. Er hatte die Öffnung der Massengräber angeordnet, in denen noch über 100.000 Opfer der Diktatur verscharrt sein sollen. Dass die konservative Regierung unter Mariano Rajoy die bisherige Linie durchbricht, wird kaum erwartet. Seine Volkspartei (PP) wurde von ehemaligen Franco-Ministern gegründet und hat sich nie vom Putsch 1936 und der Diktatur distanziert.
"Marke Spanien" war von der "Straflosigkeit der Mörder" geprägt
Doch Folteropfer und Angehörige von "Verschwundenen" oder Ermordeten haben einen weiteren Grund zur Hoffnung. Denn am Montag sind Experten einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen (UNO) eingetroffen. Sie prüfen, welche Maßnahmen in Spanien ergriffen wurden, um das "Verschwindenlassen" von zehntausenden Menschen aufzuklären. Sie haben sich am Dienstag mit Opferverbänden getroffen. "Es ist sehr wichtig, dass diese Arbeitsgruppe gekommen ist", erklärt Arturo Peinado vom Forum für die Historische Erinnerung. Damit würde endgültig klar, dass die "Marke Spanien" vor allem von der "Straflosigkeit der Mörder" geprägt sei.
Der ARMH-Präsident Emilio Silva hat im Namen seiner Vereinigung erklärt, dass die Verbrecher in Spanien straflos geblieben sind, aber die Opfer nicht einmal rehabilitiert wurden. Man wolle nicht, dass die UNO eine Erklärung verabschiedet, dass das Franco-Regime eine verbrecherische Diktatur war, denn das sei längst bekannt. "Wir wollen die Straflosigkeit beenden und die Täter bestrafen." Silva beschrieb den Experten die Probleme und Widerstände, auf die man sogar bei der Öffnung der fast 3.000 bekannten Massengräber und der Identifizierung der Leichen stoße.
Schon am Montag hatten sich Opfer-Anwälte mit den UN-Vertretern getroffen. Darunter waren auch die argentinischen Anwälte Ana Messuti und Carlos Slepoy, die die spanischen Kläger in Argentinien vertreten. Für den spanischen Opfer-Anwalt Fernando Magán ist der Besuch von "entscheidender Bedeutung" für den Kampf gegen die Straflosigkeit. "Ein negativer Bericht über das Verhalten Spaniens in Bezug auf die Opfer wäre sehr hilfreich, damit es zu Veränderungen kommt."