Spanien im Generalstreik
Heute wird neben Portugal, auch in Spanien, Griechenland, Belgien, Zypern, Malta und Italien gestreikt
Auch die spanischen Gewerkschaften sind dem Aufruf des großen portugiesischen Gewerkschaftsverbands CGTP gefolgt. Der CGTP- Chef Arménio Carlos hatte im Oktober zum "großen Generalstreik" als "breite einigende Aktion" aufgerufen und damit den Startschuss für den ersten "iberischen Generalstreik" gegeben, zu dem sich die Portugiesen mit den Protesten beim Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag warmgelaufen haben. Zudem wird auch in Griechenland, Belgien, Zypern, Malta und Italien gegen die Sparpolitik gestreikt, welche die Troika aus EU‑Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) diesen Ländern aufzwingt.
Die Lage in Spanien ist der in Portugal sehr ähnlich. Die rechte Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy kopiert die Politik der portugiesischen Konservativen, seit die PP vor einem Jahr die Wahlen gewann, obwohl sie den umfassenden Rettungsantrag (noch) nicht gestellt hat. Die große Arbeiterkommissionen (CCOO) und die kleinere Arbeiterunion (UGT) trommeln nun zum Generalstreik, weil sich Rajoy weigert, über seinen Sparkurs abstimmen zu lassen. Mit dem "Sozialpakt", in dem mehr als 900 Organisationen vertreten sind, werfen sie ihm vor, gegen alle Wahlversprechen verstoßen zu haben.
Wie schwer sich CCOO und UGT aber mit dem zweiten Generalstreik 2012 taten, zeigte sich daran, dass sie im Baskenland am 26. September als Streikbrecher auftraten. Sieben baskische Gewerkschaften hatten gemeinsam mit Griechenland gestreikt und legten mit Hilfe der anarchosyndikalistischen CGT und CNT das spanische Baskenland mit ihrem sechsten Generalstreik seit Krisenbeginn lahm. Nur im März hatten sich CCOO und UGT erstmals den Basken angeschlossen, aber heute wird hier ihr Streik kaum spürbar sein, weil CCOO und UGT nur eine Minderheit vertreten. Nun beteiligen sich die Basken nicht, weil sich keinen Termin aus Madrid aufdrücken lassen wollen, ohne an den Gesprächen beteiligt worden zu sein. Das Verhalten von CCOO und UGT wurde im September kritisiert, aber auch im Baskenland gibt es Kopfschütteln darüber, dass sich die große Gewerkschaft ELA nicht beteiligt. Anders als die radikalere LAB und andere kleine Gewerkschaften gehört ELA dem Europäischen Gewerkschaftsbund ( EGB) an, der zu Protesten am "Europäischen Aktionstag" für Beschäftigung und Solidarität in Europa und gegen die Austeritätspolitik aufruft.
Gründe zum Streik gibt es in Spanien reichlich. Da ist das Zwangsräumungsdrama. Der Regierung explodiert gerade die Tatsache in den Händen, dass 400.000 Familien seit Krisenbeginn geräumt wurden und weitere 400.000 auf die Räumung warten. Nachdem sich im baskischen Barakaldo (bei Bilbao) sogar eine ehemalige sozialistische Stadträtin aus Eibar aus dem vierten Stock in die Tiefe stürzte, als sie geräumt werden sollte, kocht die Wut auch bei Parteigängern der Sozialisten (PSOE) hoch.
Das Drama ist tief im Mittelstand angekommen, wie der Fall von Amaia Egaña zeigt. Sie hatte sogar noch ihren Job und ihr Ehemann war Stadtrat in Barakaldo. Ihr Freitod ist eine Anklage gegen ihre Genossen, die bis vor einem Jahr Spanien regierten und bisher auch noch geschäftsführend das Baskenland. Nachdem die PSOE in sieben Regierungsjahren nichts unternommen hat, sitzt sie nun in Dringlichkeitssitzungen mit der Regierung zusammen, um die Gesetze zu ändern. Peinlich finden es Betroffene im Gespräch mit Telepolis, dass nun ausgerechnet die eilig Lösungen finden wollen, die bisher alle Lösungen verhindert haben. Dies geschehe zudem unter Ausschluss der Betroffenen und aller übrigen Parteien. Die Empörten, die sich frühzeitig mit den von Räumung bedrohten Familien solidarisiert und etliche Räumungen verhindert haben, sehen sich in der Analyse bestätigt, dass Spanien eine Zweiparteiendiktatur der PPSOE ist.
Daneben hält die Regierung Rajoy auch weiter an der dekretierten Arbeitsmarktreform fest. Gegen sie wurde schon im März gestreikt. Spanien steckt in der Rezession fest. Statt eines Jobwunders ist die Arbeitslosigkeit auf fast sechs Millionen und 26% explodiert. In einigen Regionen ist die Quote schon auf 40% angestiegen. Besonders hart trifft es junge Menschen, fast 55% haben weder Job noch Perspektive.