Spanien verhandelt über Auslieferung von Falciani, dem "Robin Hood der Finanzwelt"
Auch die Staatsanwaltschaft stellt sich gegen die Auslieferung des mutmaßlichen Datendiebs an die Schweiz
Mit "skandalösem Vorgehen" bei der HSBC-Bank hat Hervé Falciani vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid sein Vorgehen begründet. An dem Gerichtshof in Madrid wurde am Montag darüber verhandelt, ob die Auslieferung an die Schweiz erfolgen kann. Er war im letzten Sommer bei der Einreise auf Basis eines internationalen Haftbefehls verhaftet worden und saß einige Monate in Untersuchungshaft. Die Alpenrepublik beschuldigt den italienisch französischen Informatiker, er habe 130.000 Datensätze von 24.000 Kunden gestohlen und sich damit der Wirtschaftsspionage, des Datendiebstahls sowie der Verletzung des Bank- und Geschäftsgeheimnisses schuldig gemacht. Mit seinen Daten konnten in diversen Ländern Steuerbetrüger ermittelt werden, weshalb er als "Robin Hood der Finanzwelt" gilt.
Mit Bart, Perücke und dicker Hornbrille getarnt wies Falciani die Anschuldigungen ab, die Daten von Steuerbetrügern gestohlen zu haben. Es habe auch nie versucht, sich über die "Daten zu bereichern", denn ihm wird auch vorgeworfen, er habe die Daten verkaufen wollen. Auch Deutschland sollen sie angeboten worden sein. Außer Ermittlungsbehörden habe er "absolut niemandem" Zugang zu ihnen gewährt, sagte dagegen Falciani. Mit einer "allgemeinen und abstrakten Anschuldigung gegen das Schweizer Bankensystem versuchte er, sein Verhalten zu rechtfertigen", begründete die Schweiz dagegen in ihrem Auslieferungsgesuch.
Den Vorwürfen steht auch die Version von Éric de Montgolfier entgegen. Der französische Staatsanwalt sagte aus, dass Falciani niemals Geld als Gegenleistung für Informationen gefordert habe. Er kooperierte eng mit französischen Ermittlern und verschaffte ihnen Zugriff auf Daten, die ausgedruckt einen "Güterzug" füllen würden, sagte Montgolfier. In Frankreich war 2009 Falcianis Computer beschlagnahmt worden, nachdem der Informatiker zurück in seine Heimat gegangen war. In der Schweiz hatten 2008 Ermittlungen begonnen.
Da die Daten verschlüsselt waren, benötigte man Falcianis Unterstützung. "Seine Hilfe war effizient." Verzögerungen für aufwendige Entschlüsselungen seien so nicht aufgetreten. "Falciani hatte nicht alle Daten auf dem Rechner, sondern auch auf anderen Datenträgern und er stellte der Gendarmerie die Passwörter für den Zugang zur Verfügung", sagte Montgolfier. Er war besorgt, dass Banken in der Schweiz Steuerbetrug förderten, die er als eine der Ursachen der Finanzkrise ansah, habe er ihm als Begründung für sein Vorgehen erklärt.
Die Daten von Steuerbetrügern habe er nicht gestohlen, sondern von anderen Beschäftigten der HSBC-Bank erhalten, sagte Falciani. Nachdem er erfolglos versucht hatte, die HSBC zu mehr Transparenz und Änderung der Geschäftspraxis zu bringen, habe er versucht, Schweizer Ermittler zu informieren. Doch die hätten sich geweigert, ihn anonym zu vernehmen. Dass es bei einigen Banken und auch bei der HSBC zum Teil auch betrügerisch zugeht, ist auch schon durch Urteile bestätigt.
Um Ermittlungen auszulösen, sei Falciani einst er in die libanesische HSBC-Filiale gereist. Dort habe der einstige Sicherheitsverantwortliche auf Schwachstellen im System hingewiesen: "Es ging darum, einen Alarm auszulösen, der die Schweiz zu Ermittlungen über mögliche Schwachstellen des Bankgeheimnisses bringt." Um eine Spur zu legen, habe er die Flugtickets extra über das eigene Konto bei der HSBC bezahlt.
Gegen die Auslieferung hat sich auch die Staatsanwaltschaft gestellt, wie Telepolis angekündigt hatte. Dafür ist nach Ansicht von Dolores Delgado die wesentliche Bedingung nicht erfüllt: sein Vorgehen müsste in Spanien strafbar sein. Doch Gesetze gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung schreiben hier sogar vor, dass sie angezeigt werden müssen, wenn man davon Kenntnis erlangt. "Wir können nicht die bestrafen, die strafbare Handlungen feststellen und anzeigen", begründete Delgado die Ablehnung der Auslieferung. Der Steuerbetrug, der sich aus den Falcianis-Daten ergäbe, bezifferte sie auf 300 Milliarden Euro. Es handele sich um systematische Vergehen, durch die Geld dem Zugriff der Interessen der Allgemeinheit entzogen wird.
Überschneidungen mit der Schwarzgeldkonten der PP und der Gürtel-Affäre
Falciani hat seine Unterstützung auch Spanien angeboten. Die Opposition hatte das gefordert und zum Jahresende seine Entlassung aus der Untersuchungshaft begrüßt. Weil er längst mit den Behörden kooperiere, beantragte er die Einbeziehung von Dokumenten. Die belegten, dass er an Aufklärung von Schwarzgeldkonten der regierenden Volkspartei (PP) beteiligt sei. In der Schweiz verfügte allein der ehemalige Schatzmeister der Konservativen über 38 Millionen Euro. Luis Bárcenas soll sie über Schmiergelder gefüllt haben. Hohe Summen sollen an Parteiführer als "Zusatzlohn" in Bargeldumschlägen ausgezahlt worden sein. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy soll die höchste Gesamtsumme erhalten haben.
Dass El País effektiv die Schattenbuchhaltung veröffentlicht hat, bezweifelt nun eigentlich niemand mehr, denn auch Schriftgutachter der PP haben die Listen dem Ex-Schatzmeister zugeordnet. Und ein Teil der illegalen Einnahmen sind offensichtlich auch in der A-Buchhaltung aufgetaucht. Der Ermittlungsrichter hat auch Überschneidungen zur zweiten großen Korruptionsaffäre der PP gefunden, der sogenannten Gürtel-Affäre, die auch der Ausgangspunkt der Ermittlungen gegen Bárcenas waren. Vermutet wird, dass es sich um nur ein großes Geflecht aus Korruption und illegaler Finanzierung handelt.