Spanische Regierung verändert Sparpläne nach Generalstreik
Die Konservativen wollen nach dem Generalstreik und Wahldebakel mehr Steuern von Unternehmen einnehmen, insgesamt sollen 35 Milliarden eingespart werden
Auch wenn die spanische Regierung sich vom starken Generalstreik am Donnerstag in der Öffentlichkeit scheinbar unbeeindruckt gibt, hat er seine Spuren im Haushalt hinterlassen. Aber das gilt auch für das Debakel, dass die regierende Volkspartei (PP) am vergangenen Sonntag in Andalusien und Asturien erlebt hat. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte extra die Wahlen abgewartet, bevor er am Freitag den Haushalt 2012 vorgestellt hat. Die EU-Kommission hatte ihn eindringlich dazu aufgefordert und Inspektoren nach Madrid geschickt, um sich ein Bild über die Finanzen zu machen.
Finanzminister Cristóbal Montoro sprach auf einer Pressekonferenz, die nach der Kabinettsitzung mehr als lange zwei Stunden dauerte, von der "größte Anstrengung zur Haushaltskonsolidierung" seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975. Die Ausgaben sollen durchschnittlich um fast 17% "drastisch" gekürzt werden, um das neue Defizitziel zu erfüllen, sagte die Vize-Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría vor der Presse am Freitagnachmittag.
Dabei war die EU-Kommission in Brüssel gegenüber der neuen konservativen Regierung nachsichtig. Statt wie geplant auf 4,4% soll Spanien das Haushaltsdefizit 2012 nur auf 5,3% senken. Rajoy hatte sich mit seinem einseitigen Vorstoß in Brüssel etwas Spielraum verschafft. Sonst hätte er noch stärker auf die Sparbremse treten und weitere neun Milliarden einsparen müssen. Vor allem die von seiner Volkspartei (PP) regierten Regionen waren 2011 dafür verantwortlich, dass das Defizit von der sozialistischen Vorgängerregierung nicht wie geplant auf 6% gesenkt werden konnte, sondern sogar bei 8,5% lag.
Die Regierung will nun etwa 35 Milliarden Euro einsparen und das ist wahrlich eine Herkulesaufgabe. Insgesamt sollen die Kürzungen gut 27 Milliarden Euro ausmachen, die Entwicklungshilfe muss mit einer Kürzung von 1,4 Milliarden besonders stark bluten. Dazu kommt, dass die Einnahmeseite durch erhöhte Steuern verbessert werden soll. Die Regierung hatte eine neue Anhebung der Mehrwertsteuer geplant, ohne dies aber offen zu sagen. Doch das ist unpopulär, weil es niedrige Einkommen besonders trifft. Nach dem Wahldebakel der PP am Wochenende und dem Generalstreik wurde sie gekippt, weil man den "Konsum nicht belasten" wolle, sagte der Finanzminister und bestätigte damit, dass auch diese Steuer gegen alle Wahlversprechen erhöht werden sollte.
Allerdings wird auch über die Erhöhung der Strompreise um 7% und der Gaspreise um 5% der Konsum stark belastet. Das gilt auch für die Tatsache, dass die Kaufkraft der öffentlichen Bediensteten sinkt, weil deren Löhne eingefroren bleiben, nachdem sie die Sozialisten zuvor bereits gesenkt hatten.
Statt der höheren Mehrwertsteuer hat sich die PP neben den schon zuvor angekündigten Erhöhungen der Einkommens- und Grundsteuern nun aber dazu durchgerungen, eine Forderung der Vereinten Linken (IU) umzusetzen. Große Unternehmen müssen nun höhere Steuern bezahlen, weil Abschreibungsmöglichkeiten gestrichen werden. Es wird nun auch den Großfirmen aufstoßen, dass ausgerechnet die Konservativen auf allen Ebenen einen tiefen Schluck aus der Steuerpulle nehmen, die vor den Parlamentswahlen im vergangenen November versprochen hatten, keine Steuern zu erhöhen. Doch darüber sollen nun zusätzlich 12,3 Milliarden in die Staatskassen fließen.
Die Erhöhung der Unternehmenssteuern erklärt sich nur über den Generalstreik und der Tatsache, dass die PP am vergangenen Sonntag den Sozialisten (PSOE) nicht nach 30 Jahren die Macht in Andalusien abnehmen konnte. In Asturien stagnierte sie sogar als drittstärkste Kraft. Dass die kommunistisch dominierte IU in beiden Regionen sehr stark zugelegt hat, ist der PP offenbar in die Glieder gefahren. Deshalb darf nun auch erwartet werden, dass das Dekret zur Arbeitsmarktreform im Gesetzgebungsverfahren abgeschwächt wird, da die Gewerkschaften weitere Generalstreiks nicht ausschließen, wenn die Regierung nicht darüber verhandelt.
Sie macht aber auch Vermögenden ein großzügiges Angebot. Steuersünder sollen amnestiert werden, wenn sie Schwarzgelder im Ausland deklarieren und pauschal eine Steuer von geringen 10% entrichten. Bei den 5,4 Millionen Arbeitslosen kommt schlecht an, dass Arbeitsförderungsprogramme um gut 1,5 Milliarden Euro gekürzt und hier sogar überdurchschnittlich stark gespart wird. Solche Programme sind in Regionen mit Arbeitslosenquoten über 30% oder für Jugendliche, die Hälfte hat keinen Job, die einzige Möglichkeit, eine Beschäftigung oder Aus- oder Fortbildung zu finden.
Wirtschaftsminister Luis de Guindos, der den Haushalt auf dem Treffen der Euro-Finanzminister in Kopenhagen vorgestellt hat, erklärte kurz vor dem Treffen: "Spanien wird aufhören, ein Problem für die Union zu sein." Die spanische Tageszeitung El País interpretiert das so, dass der Minister damit eingeräumt hat, dass Spanien das Sorgenkind für die Eurozone ist.
Aus Kopenhagen wurde derweil bekannt, dass die Summe der Rettungsfonds nun sogar auf 800 Milliarden Euro (eine Billion US-Dollar) ausgeweitet wurde. Damit liegt die deutsche Haftung weit über der "roten Linie" von 211 Milliarden Euro . Das zeigt auch, dass man sich auch auf einen eventuellen Absturz Spaniens vorbereitet.
Tatsächlich sind die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen wieder auf fast 380 Basispunkte gestiegen. Der Aufschlag liegt wieder so hoch wie im Dezember 2011, als mit eiligen EU-Gipfeln versucht wurde, die Zuspitzung der Euro-Krise einzudämmen. Er liegt wieder deutlich über dem Aufschlag Italiens, womit klar ist, dass Spanien als das Sorgenkind angesehen wird. Im Berlusconi-Chaos hatte Italien erstmals Spanien überholt. Bis vor wenigen Wochen lagen die Zinsaufschläge für Rom stets deutlich über denen für Spanien. An den Finanzmärkten wird aber befürchtet, dass Spanien mit diesen Einschnitten noch tiefer in die Rezession rutscht und damit zum Nothilfe-Kandidat wird. Die Rezession sorgt dann nämlich dafür, dass die erwarteten Einnahmen nicht fließen und die Ausgaben steigen. In den ersten beiden Monaten des Jahres sind die Steuereinnahmen schon um 3,5% eingebrochen und damit steht der gesamte Haushalt schon jetzt auf wackeligen Füßen.