Spanische Solarstrompolitik auf dem Gerichtsstand
Eine ganze Reihe deutscher Unternehmen klagt gegen die Kürzungen der Einspeisevergütungen
Wie nun bekannt wurde, zieht mit der Essener Steag auch der fünftgrößte deutsche Stromerzeuger gegen Spanien vor das internationale Schiedsgericht (ICSID). Das Unternehmen schließt sich damit der Klagefront vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington an, das zur Weltbankgruppe angehört. Vertreten lässt sich Steag von der britischen Anwaltssozietät Clifford Chance, schreibt El País. Spanien wird vorgeworfen, gegen die Prinzipien des Respekts von Auslandsinvestitionen verstoßen zu haben, weil das Land nachträglich vertraglich zugesicherte Einspeisevergütungen für Solarkraftwerke gekürzt hat.
Steag, die im vergangenen Jahr von einem Konsortium von Ruhrgebiets-Stadtwerken aus Bochum, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen und Oberhausen übernommen wurde, musste im Rahmen der Übernahme eine Wertberichtung um 60 Millionen Euro wegen der Beteiligung am spanischen Solarkraftwerk Arenales einräumen, das Ende 2013 in Betrieb ging. Wenigstens einen Teil des Geldes hofft Steag als Entschädigung über die Klage beim Schiedsgericht zu erhalten.
Eigentlich schien das thermische Solarkraftwerk nahe Morón de la Frontera in der andalusischen Provinz Sevilla eine lukrative Investition zu sein, als Steag 2012 von der insolventen Solar Millennium deren 26% der Anteile an der Projektgesellschaft Arenales Solar übernahm. Die Region wird wegen der hohen Sonneneinstrahlung auch "Bratpfanne" genannt. Deshalb entstanden in der armen Region etliche Solaranlagen auf Basis der "Concentrated Solar Power" (CSP) Technologie, was durch großzügige Subventionen gefördert wurde.
Arenales erstreckt sich über 295 Hektar. Auf einer Fläche von fast 400 Fußballfeldern wurden 156 Reihen mit Parabolspiegeln installiert, die dem Lauf der Sonne nachgeführt werden. Derlei Anlagen haben eine deutlich höhere Leistung als Photovoltaik-Anlagen. Arenales liefert 50 Megawatt Strom und verfügt zudem über einen thermischen Salzspeicher. In flüssigem Salz wird die Hitze gespeichert, um so auch Strom erzeugen zu können, wenn die Sonne nicht mehr scheint.
Doch mit dem Sieg der konservativen Volkspartei (PP) bei den Parlamentswahlen Ende 2011 verdunkelte sich der Himmel für erneuerbare Energien und 2013 auch für solarthermische Kraftwerke. Wie schon zuvor bei Photovoltaik-Anlagen setzte in der Krise die Regierung unter Mariano Rajoy auch an der Einspeisevergütung für solarthermische Anlagen die Schere an, um den Haushalt zu entlasten und das Defizit zu senken. Deshalb platzte auch dem heimischen Abengoa-Konzern der Kragen. Die andalusische Firma ist in Umwelttechnik, Energieversorgung, Telekommunikation und Logistik tätig und führend in Solarthermik. Abengoa sprach sogar von einer "Enteignung" in einer Höhe von fünf Milliarden Euro.
Die Klagefront hat nun aber eine enorme Breite erreicht. Kurz bevor Steag das langwierige und komplizierte Verfahren vor dem Schiedsgericht eingereicht hat, haben diesen Weg zum Jahreswechsel auch die Stadtwerke München, RWE Innogy, RheinEnergie, Ferrostaal Industrial Projects und andere Firmen bestritten. Hierbei geht es für Spanien schon um Hunderte Millionen Euro. Hans Bünting, Chef der Ökostrom-Konzernsparte bei RWE, hofft auf einen dreistelligen Millionenbetrag als Entschädigung. "Es ist aufwendig, aber wir halten es für durchaus erfolgversprechend."
Der Argumentation des spanischen Industrieministers können die Kläger nicht folgen. José Manuel Soria hat angesichts der neuen Klagewelle erklärt, die Firmen strebten eine Rentabilität von 20% an. "Die gibt es in keinem Land der Welt", meint Soria, weil damit das Stromversorgungssystem kollabiere. Doch das ist nicht das Problem der Firmen, die auf Basis bestehender Gesetze investiert haben. Die Kläger beziehen sich auf den internationalen Energiechartavertrag (ECT). Die Charta schützt ausländische Investoren und sieht den Gang vor das Icsid vor. Dieser Weg ist Abengoa versperrt, weshalb die Spanier vor den Ständigen Schiedshof in Den Haag zogen. Erfolgsaussichten mit Klagen vor nationalen Gerichten halten Experten, auch angesichts der enorm politisierten spanischen Justiz, für gering.
Insgesamt geht es aber um etliche Milliarden, zu deren Zahlung Spanien alsbald verurteilt werden könnte. Bis zu 60.000 Solaranlagen sind von den rückwirkenden Kürzungen betroffen. Steag, RWE und die übrigen Firmen, die nun vor das Icsid ziehen, folgen auch nur der Deutschen Bank und der französischen Großbank BNP, die schon Ende 2013 Klagen eingereicht haben. Unterstützt werden die Kläger auch von Regionalregierungen. Unter anderem hält auch Andalusien die Kürzungen für verfassungswidrig, weshalb Klage beim Verfassungsgericht eingereicht wurde.
Es könnten sehr teure Altlasten nach den Wahlen im Herbst für eine neue Regierung werden, da schon Ende 2011 internationale Investitionsfonds Spanien wegen rückwirkender Kürzungen der Einspeisungsvergütung aus Photovoltaik-Anlagen verklagt haben. 16 Großunternehmen und Fonds strengten im November 2011 gemeinsam ein Schiedsgerichtsverfahren an, das ebenfalls noch schwebt. Dazu kommt die Klage des Verbands von kleinen Solarstromerzeugern (Anpier). Der Verband klagt vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, weil er ebenfalls nur wenig Vertrauen in die eigene Justiz hat. Spanien habe sich auf das Niveau eines Drittweltlandes begeben, in dem es keine Rechtssicherheit gäbe, erklärte Anpier.
Die großen europäischen Energieversorger hatten sich auch bei der EU-Kommission darüber beschwert, dass Spanien mitten im Spiel die Spielregeln ändert. Der frühere Energiekommissar Günther Oettinger war für die Klagen aufgeschlossen. Oettinger hatte mehrfach gewarnt, rückwirkenden Änderungen untergrüben "das Vertrauen von Investoren". Er hatte fehlenden Wettbewerb und ein ineffizientes Tarifsystem kritisiert. Abgeschriebene Anlagen "wie Atom- und Wasserkraftwerke" erhielten hingegen eine "exzessive Vergütung", so Oettinger, der eine Kurskorrektur von Madrid forderte. Er empfahl wegen der enormen Energieabhängigkeit, verstärkt auf Erneuerbare zu setzen, statt sie abzuklemmen.