Spanischer Regierungschef weist Schmiergeldvorwürfe zurück

Im Schatten des Schwarzgeldskandals wird ein Machtkampf in der konservativen Volkspartei ausgetragen

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Am Samstag hat der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy alle Vorwürfe bestritten, auch er habe Schwarzgeld erhalten. Glaubwürdig waren die Darstellungen schon deshalb nicht, weil er Tage für eine Erklärung brauchte und sich zuvor am Samstag in der Parteiführung absprechen musste. Fragen hat er nicht ohnehin beantwortet. Er behauptet schlicht vor seinem Besuch am Montag bei Bundeskanzlerin Merkel in Berlin, die Beschuldigungen seien "alle falsch".

Eine Verschwörung gegen seine Volkspartei (PP) anzudeuten, hat auch ultrakonservative Medien nicht überzeugt, die weiter am Konservativen zweifeln. Dass Rajoy nun "maximale Transparenz" verspricht und seine Steuererklärungen veröffentlichen will, überzeugt auch die zahllosen Demonstranten nicht, die vor den Parteizentralen im Land gegen die "Lügner" protestieren. Denn Schwarzgeld wird gewöhnlich in Steuererklärungen nicht aufgeführt, die auch er in Umschlägen vom früheren Schatzmeister Luis Bárcenas erhalten haben soll.

Seit fast vier Jahren tauchen immer neue Details über eine Schmiergeldaffäre in Spanien auf, die die konservative Volkspartei (PP) schwer beschädigt. Konzentrierte sich der "Gürtel-Skandal" einst auf Valencia, die Balearen und Galicien, ist er nun in der Parteizentrale in der Hauptstadt Madrid eingeschlagen. Praktisch die gesamte Parteispitze steht am Pranger. Sogar der Ministerpräsident Rajoy soll mindestens 250.000 Euro Schwarzgeld an der Steuer vorbei von geheimen Konten erhalten haben. Oppositionsparteien fordern seinen Rücktritt und Neuwahlen und die Sozialisten wollen nun auch einen Misstrauensantrag stellen.

Im Zentrum der Affäre steht der Unternehmer Francisco Correa. Dessen Machenschaften brachten 2005 die Vorgänge ins Rollen, weil sie für José Luis Peñas inakzeptabel waren. Der PP-Stadtrat von Majadahonda wollte die Korruption in der Kleinstadt am Rande Madrids nicht hinnehmen. Zwei Jahre sammelte er Beweise und nahm auch Gespräche auf, in denen Correa offen von Geschenken, Provisionen und Gefälligkeiten sprach, um an lukrative öffentliche Aufträge in der von der PP regierten Regionen und Städte zu kommen.

Mit dem Material erstattet er 2007 Anzeige und löste Ermittlungen aus, die unter dem Decknamen "Gürtel" geführt wurden, der deutschen Übersetzung von Correa. Zuvor versuchte er die Parteiführung zu informieren. "Sie haben mich herausgeworfen", sagt er. Er bestätigt auch die Anschuldigungen der Zeitung El Mundo. Es war die große Tageszeitung, die noch 2011 dafür geworben hatte, Rajoy und die PP zu wählen, die kürzlich die Praxis aufdeckte, wonach der ehemalige Schatzmeister monatlich Bargeld in Umschlägen an Parteiführer übergab.

Das Geld soll vom Schwarzgeldkonto gekommen sein, auf das Schweizer Ermittler stießen und Bárcenas eindeutig zugeordnet wurde. Er verfügte über bis zu 22 Millionen Euro und musste 2009 zurücktreten, als die Gürtel-Affäre aufflog. Doch er hatte "bis vor zwei Wochen noch über ein Büro in der Parteizentrale", berichtet Peñas. Er verweist darauf, dass aus dem Haus des Schatzmeisters einst Anweisungen kamen. Man solle den "Firmen helfen, die ihrerseits die PP unterstützen". Allein Correa soll 1,3 Millionen Euro an Bárcenas gezahlt haben.

Dessen Bargeldumschläge bestätigt nicht nur der Ex-Stadtrat. In der Zeitung El País schrieb auch Jorge Trías Sagnier, dass viele Jahre bis zu 10.000 Euro monatlich an Parteiführer geflossen seien. (http://www.heise.de/tp/blogs/8/153592) Der Freund des Schatzmeisters saß vier Jahre für die PP im Parlament und kennt sich aus. Längst wird gemunkelt, er habe die geheimen Kassenbücher geliefert, aus denen die Zeitung am Donnerstag zitiert hat. Sie wurden handschriftlich geführt und detailliert sind Einnahmen und Ausgaben verzeichnet.

Nun versteht auch der Ex-Stadtrat das Verhalten der Parteispitze und warum sich Rajoy hinter Mitglieder stellte, denen Korruption vorgeworfen wurde. "Ich habe angezeigt, was ich wusste", sagte Peñas. Er geht aber davon aus, dass die Affäre weit über den Gürtel-Skandal hinausgeht. Die PP sei eine "korrupte Partei" vom "ersten bis letzten Führer". Angeblich wollen sie Spanien in der tiefen Krise retten, schlossen aber Krankenhäuser, senkten Löhne und "streichen unter der Hand Geld ein". Dass die Rajoy und seine Partei die Vorgänge dementieren und in den Raum stellen, die Dokumente könnten gefälscht sein, glaubt eigentlich niemand. Zudem weisen Schriftgutachter sie eindeutig Bárcenas zu. Und Senatspräsident Pío García Escudero, die Organisation Basta Ya und andere haben bereits bestätigt, die aufgeführten Summen erhalten zu haben. Dabei ist auch der ehemalige PP-Umweltminister Jaume Matas, ohnehin wegen Korruption schon verurteilt. Auffällig ist, dass ausgerechnet El Mundo begann, direkt auf die PP-Spitze zu zielen und auch PP-Mitglieder die Vorgänge offen kritisieren. Für viele ist klar, dass hier ein Machtkampf tobt. Deutlich wird das auch, dass die kürzlich zurückgetretene Esperanza Aguirre eine Wortführerin ist. Die Ex-Präsidentin der Region Madrid und PP-Führungsmitglied wundert sich, warum Rajoy Bárcenas nicht anzeigt. Sie ist eine klare interne Gegnerin von Rajoy.