Spanisches Fernsehen unter Regierungskontrolle
Eine Gesetzesänderung verschaffte den Konservativen die Kontrolle, mit der sie nun das öffentlich-rechtliche Fernsehen manipulieren können
Die Behandlung der größten Demonstration in der katalanischen Geschichte hat einen Skandal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgezeigt. Obwohl bis zu zwei Millionen Menschen am Dienstag in Barcelona für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien demonstriert haben, wurde das in den Abendnachrichten kurz und fast am Ende abgehandelt. Nach einem Entrüstungssturm musste sich die "Radiotelevisión Española" (RTVE) öffentlich entschuldigen.
Den "Bewertungsfehler erkennen wir an", sagte Alfonso Nasarre. Nur auf die Platzierung gut 20 Minuten nach Beginn der Nachrichtensendung bezog sich aber die Entschuldigung des Sprechers. Am Inhalt oder der Länge des Berichts über den katalanischen Nationalfeiertag lässt er keine Kritik am "makellosen" Bericht zu. Die Vertreter der Journalisten im Informationsrat sehen das anders. Der Grundsatz einer "unabhängigen und wahrheitsgetreuen Berichterstattung" sei verletzt worden. Es hätte sich "wegen der besonderen Tragweite" um ein Tagesthema handeln müssen. Es hätte deshalb am Anfang stehen müssen, womit ihm auch deutlich mehr Zeit zugekommen wäre, heißt es in einer Erklärung. Man habe versucht, die Bedeutung zu verschleiern, schreibt der Informationsrat, damit sei gegen ein "zentrales Recht der Bürger" verstoßen worden.
Vielen in RTVE ist der Kragen geplatzt. Zu offensichtlich war, wie dreist die Regierung die Kontrolle im Rundfunk übernommen hat. Mit ihrer absoluten Sitzmehrheit, welche Mariano Rajoys Volkspartei mit gut 44 Prozent der Stimmen erreichte, hat sie das Gesetz gegen den Widerstand der Opposition geändert. Danach konnte sie im Alleingang Leopoldo González Echenique als neuen Chef einsetzen, allerdings muss über den Vorgang nun das Verfassungsgericht entscheiden. Der Antrag der Opposition wurde angenommen. Nach dem bisherigen Gesetz hätte die Volkspartei (PP) eine Zweidrittelmehrheit für die Ernennung gebraucht. Sie hätte einen Konsens mit Oppositionsparteien finden müssen, um Pluralität zu wahren, konnte aber das Gesetz mit einfacher Mehrheit ändern.
Yolanda Sobero spricht von einem "Dammbruch". Wie andere Mitglieder im Redaktionsrat befürchtet sie die Rückkehr in finsterste Zeiten, als unter der Franco-Diktatur das Fernsehen ein Propagandainstrument war. Soweit braucht Sobero nicht in die Vergangenheit zu schauen. Viele haben noch viele ein Urteil aus der Zeit im Gedächtnis, als die PP zuletzt von 1996 bis 2004 massiv RTVE missbraucht hat.
Säuberungswelle in den öffentlich-rechtlichen Medien
Unter dem damaligen Ministerpräsident José María Aznar wurde der Sender deshalb oft als "Tele-Aznar" bezeichnet. Ex-Informationschef Alfredo Urdaci wurde vom Nationalen Gerichtshof sogar wegen "Manipulation" verurteilt, weil es für den Sender einen Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreform 2002 nicht gab, wie die PP diese Sprachregelung bestimmt hatte. Dabei führte der angeblich inexistente Streik dazu, dass Aznar die Reform fast vollständig zurücknehmen musste.
Doch ein Rajoy habe aus den Fehlern seines politischen Ziehvaters gelernt, meinen Journalisten aus dem Sender und gehe nicht mehr ganz so dreist vor oder noch nicht so dreist vor. Derzeit läuft eine Säuberungswelle in den öffentlich-rechtlichen Medien. Sogar die äußerst beliebte Ana Pastor wurde in RTVE geschasst, die im Morgenprogramm mit Interviews für hohe Quoten sorgte. Sie war kritisch, hakte nach und verärgerte Politiker, wie die mächtige Präsidentin der Regionalregierung Madrids, Esperanza Aguirre. Auch sie ließ sie nicht ausreden, wenn sie vom Thema abschweifte und nagelte sie bisweilen fest, was meist als Respektlosigkeit angesehen wird.
Während Pastor und andere den Sender verlassen mussten, wurde zum Beispiel für das Morgenprogramm Edurne Uriarte angeworben. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Politikwissenschaftlerin, sondern auch um die Frau von Kultusminister José Ignacio Wert. Sie trat zuvor in rechtsradikalen Medien wie dem Privatsender Intereconomía auf, wo offen die Franco-Diktatur verteidigt wird. Von Franco und vom Putsch gegen die Republik hat sich bis heute die PP nicht distanziert, die von einem seiner Minister gegründet wurde.
Deutlich wird der neue Wind von rechts auch an Julio Somoano. Der neue Chefredakteur wurde von Aguirre vom Regierungsfernsehen der Region Madrid abgestellt, dem die eigenen Journalisten immer wieder Manipulation vorgeworfen haben. So war es kaum verwunderlich, dass ihn in einer Abstimmung bei RTVE 71% der Journalisten als neuen Chefredakteur abgelehnt haben. In seiner Masterarbeit machte er 2005 seine Positionierung deutlich. "Eine Kommunikationsstrategie für den Triumpf der Volkspartei bei den nächsten Parlamentswahlen", lautete ihr Titel.
Wie Sobero erwarten viele Journalisten nicht, dass unter dieser Leitung der Sender seinen Pflichten nachkommen kann. Außerhalb wird längst eine härtere Kritik formuliert. Es wird von der Rückkehr zur Franco-Zeit an der Madrider Universität gesprochen. So klar benennt Enrique Bustamante die Vorgänge, der an der Madrider Complutense‑Universität audiovisuelle Kommunikation lehrt. Dass nun die umstrittenen und blutigen Stierkämpfe wieder in RTVE übertragen werden, noch dazu im Nachmittagsprogramm, wenn Kinder zuschauen, ist für viele auch ein trauriges Schauspiel.
Während sich immer mehr Menschen gegen die Tierquälerei aussprechen, ist es für die PP ein "Kulturgut". Während Zuschüsse für das Fernsehen um 200 Millionen auf 550 Millionen Euro gekürzt wurden, stiegen die Subventionen für den Stierkampf trotz massiver Sparpolitik 2012 auf 600 Millionen Euro an. 2006 war die Übertragung eingestellt worden, weil sie dem Sender zu teuer wurden und kaum jemand sich das Schauspiel anschauen wollte.