Steckte Luxemburgs Nationalheld Émile Krieps hinter der Bommeleeër-Affäre?
Ex-Geheimdienstchef Marco Mille vermutet geheime Partisanenkämpfer
Diese Woche hörte das Gericht im Luxemburger Jahrhundertprozess mehrere ehemalige Geheimdienstchefs, darunter auch Marco Mille, der von 2003 bis 2010 den "M“ gegeben hatte. Als Spymaster im Dienste seiner Majestät schrieb Mille Geheimdienstgeschichte, als er eine geheime Unterredung mit seinem Staatschef Jean-Claude Juncker mittels einer präparierten Armbanduhr mitschnitt. Offenbar misstraute der chapeau souple seinem Dienstherrn. Unter Mille entwickelte der Geheimdienst die Theorie, Stay Behind oder gar eine parallel aufgebaute Kampfgruppe "action" stecke hinter den Bombenanschlägen zwischen 1984 und 1986.
Am Mittwoch nun wurde Mille als Zeuge zu den Ermittlungen über die Bommeleeër-Affäre der 1980er Jahre vernommen, mit denen sich vor einem Jahrzehnt die Sicherheitsbehörden des Großherzogtums erneut beschäftigt hatten. Zu Beginn der Vernehmung, die wie stets vom Wort und vom Tageblatt protokolliert wurden, wies Mille auf Bedenken hin, sich bei Aussage über klassifizierte Information strafbar zu machen. Er versuchte, das Gericht dazu zu bewegen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Vorsitzende Richterin Conter ließ sich nicht auf den Geheimdienst-Mummenschanz ein, die Vorfälle lägen doch 30 Jahre zurück.
2003 gab es beim Geheimdienst SREL eine überraschende Hausdurchsuchung, die Mille als Schlag ins Gesicht empfand, da er sich zuvor schon als Agent fünf Jahre um eine Verbesserung des schlechten Verhältnisses zur Justiz bemüht hatte. Selbst mit dem Staatsminister sei damals nur schriftlich gesprochen worden. Der SREL wäre während der Attentatsserie in den 1980er Jahren nicht an der Suche nach den Bombenlegern beteiligt worden, da dies wohl nicht als internationale Angelegenheit aufgefasst worden sei.
Mille war zu seinen Nachforschungen durch die 2008 als Buch veröffentliche Dissertation des Schweizer Historikers Daniele Ganser über Stay Behind in Westeuropa inspiriert worden. Auf Fragen des Gerichts verneinte Mille Kenntnis über einen Stay Behind-Bereich "action“ innerhalb des Geheimdienstes. Die Attentate hätten für den Geheimdienst keinen eigenen Vorteil bringen können. Er vermutete jedoch, es könne außerhalb eine politisch gedeckte Organisation aufgebaut worden sein.
Als möglichen Protektor einer solchen geheimen Partisanenarmee sieht Mille den Luxemburger Nationalheld Émile Krieps, der gegen die Nazis die Résistance aufbaute, in Großbritannien eine Geheimdienstausbildung erhielt und an der Befreiung des Landes beteiligt war. 1946 waren Krieps und seine Mitstreiter unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Staatsstreich gegen die damalige Luxemburger Regierung vorzubereiten. Nach einer militärischen Karriere ging Krieps hochdekoriert 1968 selbst in die Politik, wo er als Minister zwischen 1974 und 1984 u.a. für die Armee zuständig war. Stay Behind sei in Luxemburg ursprünglich beim Militärgeheimdienst organisiert gewesen, den zivilen Geheimdienst SREL habe es erst seit 1960 gegeben.
Mille wies darauf hin, dass Krieps wohl den im Zusammenhang mit der Bombenleger-Affäre belasteten Elitepolizisten Ben Geiben protegiert habe. Geiben sei wie viele mit der Ausstattung etc. unzufrieden gewesen. Eine mögliche Koinzidenz sieht Mille in Geibens für alle überraschendem Ausscheiden 1984, das mit dem von Krieps nach der Wahlniederlage zusammenfiel. In diesem Jahr habe es auch Druck aus Washington gegeben, eine Reservearmee aufzubauen. 1984 hatte denn auch die geheimnisvolle Attentatsserie eingesetzt, die offensichtlich mit Insiderwissen ausgeführt wurde. Sofern eine entsprechende Organisation langjährig aufgebaut worden sei, ließe sich eine solche auch von außen steuern.
Mille betonte, die Existenz eines zusätzlichen Bereichs "action“ sei lediglich eine reine Hypothese. Der Aufbau einer solchen Truppe erscheint allerdings nachvollziehbar, da eine militärische Verteidigung Luxemburgs Mille zufolge unmöglich war. Die Aufgabe der vom SREL betreuten Stay Behind-Leute, die in der vergangenen Woche vor Gericht erschienen, hatte lediglich im Funken und Ein- und Ausschleusen bestanden, nicht aber waren sie auf Partisanenkampfeinsätze vorbereitet – wie sie wohl Widerstandskämpfer Krieps imponiert hätten.
Mille ließ wissen, dass er nach seinen Erfahrungen in den letzten Jahren gar nichts mehr ausschließe. Am Donnerstag wird die Aussage des vormaligen Justizministers Luc Frieden erwartet, der zwischen 1998 und 2013 in der Regierung saß.