Stimmen im Ohr
Jeder sechste US- Bürger hat inzwischen einen Smart Speaker im Haus. Und viele werden bald kein Lenkrad mehr haben
Immer wenn in CES während der Show der Strom ausfällt, möchte man sich an das gute alte Zitat erinnert fühlen: Erst wenn die letzte Batterie im Haus leergesogen ist, dann werdet ihr erkennen, dass man smarte Speaker nicht essen kann. Oder so ähnlich.
Zwar fällt auch bei einer Highend-Computershow in einer Wüstenstadt hin und wieder der Strom aus und lässt das Messepublikum drei Stunden lang in der Notbeleuchtung herumstehen, aber deshalb ist die Euphorie für Heimelektronik der besonderen Sorte derzeit nicht zu übersehen. Wenn das jetzt nicht eine vollkommen verblödete Metapher wäre (weil die Dinge ja schließlich – noch – keine Füßchen haben), dann könnte man sagen: Smarte Speaker sind auf dem Vormarsch. Bereits jeder sechste US-Bürger besitzt einen dieser zuhörenden Blechkästen. Das entspricht einem Marktwachstum von 128 Prozent in einem Jahr.
Die Dinger verkaufen sich wie warme Semmeln. Wozu, das sei einmal dahingestellt. Meiner britischen Kollegin ist Alexa ein verlässlicher Mitbewohner geworden, wenn es darum geht, Witze zu erzählen. Gut, das hat jetzt vielleicht mit britischem Humor zu tun. Auf jeden Fall zeigt der Verbreitungsgrad dieser Devices steil nach oben. Die Stimme im eigenen Heim zu erheben, wird zunehmend wichtiger. Es hört ja nicht damit auf, dass in der Küche auf Kommando nun Rezepte vorgelesen und bestimmte Musik abgespiegelt wird.
Gar nicht auszumalen, wie das Leben zunehmend und im eigenen Heim komplizierter wird, wenn man es sich noch drei bis vier Jahre später vorstellt und sich vergegenwärtigt, dass im Falle einer ausnehmend starken Heiserkeit die Wohnung praktisch nicht mehr nutzbar sein wird. Wer dann noch heiser versuchen will, seine eigene Dusche mittels Voice Command zu steuern, wird sich wundern, welche wilden Dinge mit einem Mischkopf und heißem Wasser anstellbar sein werden. Zumindest hoffen wir, dass wilde Kehlkopfschreie dann das System doch überreden werden, die Wassertemperatur von 100 auf 40 Grad zurückzuschrauben.
Das alles passiert nun in einer Zeit, in der GM die Einführung von lenkradlosen Automobilen plant. 2019 soll es soweit sein. Vermutlich ist dann wie bei Mercedes, das mit einem "Hey Mercedes" System auf den Markt kommen will, ein System im Wagen verbaut, das Sprachbefehle empfangen und hoffentlich auch weiterverarbeiten wird. Es bleibt zu hoffen, dass dann kein Konstrukteur allen Ernstes den Anwendungsfall "hysterischer Beifahrer" außer Acht lässt. Das Letzte, das man möchte, ist dann der Vollaufprall an einer intelligenten Leitplanke, nur weil der Mensch neben einem plötzlich "Links Links, Oh Gott" brüllt, anstatt moderner, autonomer Fahrtechnik zu vertrauen. Nein, das will man nicht.
Vielleicht hat die Leitplanke dann wenigstens einen Funken Menschlichkeit in sich und bestellt schon einmal einen Schnaps auf Rechnung des Hauses, bis der autonome Krankenwagen eintrifft.