Tropensturm "Amphan": Wenn sich Katastrophen potenzieren

"Kolkata after Amphan", 21. Mai 2020. Bild: Santanupyne/ CC BY-SA 4.0

Indien und Bangladesch von schwerem Wirbelsturm getroffen. UN befürchtet verstärkte Ausbreitung des Corona-Virus

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Indien und Bangladesch, ohnehin schon durch Corona-Pandemie und Ausgangssperren schwer gebeutelt, wurden am Mittwoch von einem schweren Tropensturm getroffen. Das berichtet die Weltmeteorologieorganisation WMO. Demnach hatte sich der tropische Wirbelsturm "Amphan" zunächst über dem Golf von Bengalen weiter verstärkt.

Als er dann in der Grenzregion zwischen den beiden südasiatischen Staaten auf Land traf, schwächte er sich dann jedoch wieder etwas ab. Die mittlere Windstärke betrug allerdings immer noch 155 bis 165 Kilometer pro Stunde. Zum Vergleich: In den gemäßigten Breiten spricht man bei Windgeschwindigkeiten ab 118 Kilometer pro Stunde von einem Orkan. Das entspricht auf der üblichen Beaufort-Skala der Windstärke 12, also der höchsten Stufe.

Erhebliches Zerstörungspotenzial

Mit anderen Worten: "Amphan" hatte erhebliches Zerstörungspotenzial und verursachte im niedrig gelegenen Gangesdelta erhebliche Überschwemmungen. Nach Angaben der WMO hatte der indische Wetterdienst Wasserstände von vier bis fünf Metern über dem mittleren Hochwasser vorhergesagt, was auch eingetroffen sei. Dazu muss man wissen, dass an den dortigen Küsten Schutzdeiche eine seltene Ausnahme sind.

In Indien, in dem ansonsten eine strenge Ausgangssperre herrscht, waren zu Beginn der Woche eine Million Menschen evakuiert worden. Über die Zahl der Evakuierten im Nachbarland Bangladesch macht die WMO keine Angaben.

Der Indian Express schreibt am Donnerstag von 72 Toten im indischen Bundesstaat Westbengalen, dessen Hauptstadt Kolkata (Kalkutta) in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Staat grenzt im Osten an Bangladesch, wo die gleiche Sprache gesprochen wird, aber die Bevölkerungsmehrheit muslimisch ist. In Westbengalen leben überwiegend Hindus. (70 Prozent laut Wikipedia.)

In früheren Jahrzehnten haben schwere Tropenstürme, die dort Zyklone genannt werden, in den Küstenregionen am Golf von Bengalen wiederholt von schwere Zerstörungen angerichtet und mitunter Zehntausende Todesopfer gefordert.

Deutlich verbesserte Vorhersagesysteme, Evakuierungspläne und der Bau von Schutzräumen haben in den letzten beiden Jahrzehnten geholfen, zumindest in Bangladesch und Indien die Zahl der Opfer erheblich zu senken. Im benachbarten Myanmar hatte noch 2008 Tropensturm "Nargis" rund 100.000 Menschenleben gefordert.

Flüchtlingslager

Doch auch in Indien und Bangladesch sind vor allem die Ärmsten und die Marginalisierten den Naturgewalten oft mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Die Regierung in Dhaka versucht seit 2017 Rohingya-Flüchtlinge, die vor Pogromen aus Myanmar flohen, auf unbefestigten Schwemmland-Inseln vor der Küste anzusiedeln. Aktuell spricht die Gruppe Human Rights Watch aus New York von 300 Flüchtlingen, die dort in der Zugbahn des Sturms festgehalten würden.

Human Rights Watch fordert, die Menschen in das Flüchtlingslager im Distrikt Cox Bazar umzusiedeln. Dort leben zur Zeit 1,2 Millionen Rohingya und Einheimische. Die WMO berichtet, dass die Flüchtlingshelfer der UNO fürchten, das Corona-Virus könnte idealen Nährboden finden, wenn sich die Menschen nun auch noch in den Hochwasser-Schutzräumen – meist stabile Betonbauten auf Stelzen – zusammendrängen müssen.

Das in Cox Bazar liegende Lager Kutupalong gilt mit 860.000 Einwohnern als das weltweit größte seiner Art. Das UN-Flüchtlingshilfswerk schreibt, dass dort in den vergangenen Tagen zum ersten Mal der Corona-Virus aufgetreten ist, und hat eine Spendenkampagne gestartet.