Umfragen: Für Windkraft und gegen Braunkohle

Tagebau Bergheim im April 2008. Bild: Alexander Orth, Public domain

Verschiedene Meinungsumfragen zeigen, dass die Bevölkerung in Sachen Energiewende mehrheitlich viel weiter ist als die meisten Bundes- und Landespolitiker

Der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kann sich einerseits nun auch einen Kohleausstieg schon bis zum Jahr 2030 vorstellen, will aber andererseits keine Garantie für den Erhalt aller Dörfer an den Tagebaukanten des Rheinlands abgeben. (Siehe auch: Den Kohlebagger vor der Tür)

Auch will der Christdemokrat nicht an der Abstandregelung für Windräder rütteln, die seine Partei gemeinsam mit dem Koalitionspartner FDP erst im Sommer eingeführt haben. Während Kohlekraftwerke und die riesigen Kohlebagger den Dörfern bis auf wenige hundert Meter auf die Pelle rücken dürfen, müssen Windräder in Nordrhein-Westfalen einen Kilometer Abstand halten.

Derlei Einschränkungen haben in den letzten Jahren in NRW und anderswo neben anderen Maßnahmen nicht nur Neubau, sondern auch den Ersatz von Altanlagen erheblich erschwert. Begründet werden sie gerne mit der vermeintlich großen Skepsis in der Bevölkerung gegen den Windkraftausbau.

Diese wird immer wieder von Politikern und Journalisten bemüht. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis – nebenher Aufsichtsratsmitglied bei BASF, bei der Henkel AG & Co. und stellvertretender Aufsichtsratschef der RAG – will gar beobachtet haben, dass Menschen gleichzeitig gegen Tagebaue und Windkraft demonstrieren.

Wo und wann das gewesen sein soll, bleibt sein Geheimnis. Umfragen zeigen jedenfalls regelmäßig ein ganz anderes Meinungsbild in der Bevölkerung. So kam zum Beispiel im Oktober 2021 eine Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Forsa zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der Befragten den Ausbau der Windenergie an Land für "eher wichtig" oder "sehr wichtig" hielten.

Wie es aussieht, ist der Mehrheit der Bevölkerung klar, was Hendrik Wüst nicht sehen will oder kann: Wer aus der Kohle aussteigen will, muss natürlich die erneuerbaren Energieträger ausbauen, und zwar viel entschiedener als bisher.

Mehrheit gegen Dorfabriss

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung unterstützt zugleich den Erhalt der bedrohten Tagebau-Dörfer, für den derzeit am Rande des Tagebaus Garzweiler 2 im Dörfchen Lützerath immer wieder demonstriert wird. Eine im Auftrag des Bündnis "Alle Dörfer bleiben" durchgeführte Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov ergab, dass 72 Prozent der Befragten gegen den Abriss weiterer Dörfer für die Braunkohle sind.

"Die Umfrage zeigt deutlich: im 21. Jahrhundert noch Dörfer für Braunkohle abzureißen, ist nicht mehrheitsfähig. Es ist großartig zu wissen, dass bei unserem täglichen Widerstand gegen RWEs Kohlebagger der größte Teil der Bevölkerung hinter uns steht. Die Welt schaut bei den UN-Klimaverhandlungen auf Deutschland und erwartet einen Kohleausstieg, der unser aller Überleben sichert."
Alexandra Brüne, "Alle Dörfer bleiben"

Die Frage hatte gelautet: "Deutschland steigt spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aus, ein früherer Ausstieg bis 2030 wird im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP anvisiert. Diesen Herbst soll das Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen als Erstes von insgesamt sechs Dörfern für den besonders klimaschädlichen Braunkohle-Tagebau abgerissen werden. Sollten heute noch Dörfer für Braunkohle zerstört und die dort wohnenden Menschen zwangsumgesiedelt werden?“

Die Frage bejahten fünf Prozent, mit "eher ja" antworteten neun Prozent, mit "weiß nicht/keine Angabe" 14 Prozent, "eher nein" 19 Prozent und "nein" 54 Prozent. Die Zahlen wurden gerundet.

Nach Angaben von "Alle Dörfer bleiben" sind in Deutschland noch neun Dörfer von der Zerstörung für die Braunkohle bedroht: Am Tagebau Garzweiler II in NRW wolle der Kohlekonzern RWE diesen Winter Lützerath und ab 2026 Keyenberg, Kuckum, Berverath sowie Unter- und Oberwestrich abreißen. Alle Dörfer sind Ortsteile der Stadt Erkelenz nordöstlich von Aachen.

Südlich davon, am Tagebau Hambach, habe RWE das Dorf Mannheim bereits zum Teil zerstört. Obwohl die Kohle unter dem Dorf nicht mehr gefördert werde, solle Mannheim nach RWEs Plänen für die Gewinnung von Abraum zum Befüllen des Tagebau-Lochs abgerissen werden.

In der sächsischen Lausitz wolle der Leag-Konzern noch das sorbische Dorf Miłoraz/Mühlrose abreißen, obwohl die Kohle darunter laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung energiepolitisch nicht gebraucht werde.