Umstrittene Annäherung
Die katholische Kirche in Polen und die russisch-orthodoxe Kirche riefen zur Versöhnung und zum Widerstand gegen die Verwestlichung Osteuropas auf
Von Donnerstag bis Sonntag weilte Kyrill I, Patriarch von Moskau, in Polen. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche das katholische Land besuchte. Doch allein nicht dieser Umstand machte den Besuch historisch, der in den ersten Tagen aufgrund seines Rahmenprogramms fast an einen offiziellen Staatsbesuch erinnerte, sondern das Dokument, dass die Vertreter der beiden Kirchen am Freitag im Warschauer Königspalast unterzeichnet haben.
"Wir appellieren an unsere Gläubigen, dass sie um die Vergebung des Leids, der Ungerechtigkeit und allen Übels bitten, das sie sich gegenseitig angetan haben. Wir sind davon überzeugt, dass dies der erste und wichtigste Schritt ist zum Wiederaufbau vom gegenseitigen Vertrauen, ohne den es keine Gemeinsamkeit und Versöhnung geben kann", heißt es in der gemeinsamen Aussöhnungsbotschaft der beiden Kirchenführungen.
"So ein Treffen wie heute hat einen historischen Charakter", sagte nach der Zeremonie der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, der anwesenden Presse. Und auch Kyrill I. sparte an dem Tag bezüglich des Dokuments nicht mit Superlativen, ebenso wie andere ranghohe Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche. "Mit der Unterzeichnung des gemeinsamen Dokuments machen die christlichen Führer Russlands und Polens einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Nationen. Und sie machen das zum Trotz jener Politiker, die das gegenseitige Leid als Marktware ansehen", schrieb Metropolit Hilarion, die Nummer 2 in der russischen Kirche, in einem Gastbeitrag für die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza.
Nicht weniger enthusiastisch zeigten sich auch die Medien der beiden Länder. Die polnische Presse verglich das Dokument, über deren Wortlaut die Kirchenvertreter der beiden Länder zwei Jahre verhandelten, mit dem Hirtenbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965, der eine wichtige Rolle bei der deutsch-polnischen Annäherung spielte. Die russische Presse wiederum betonte die historische Bedeutung durch die Kirchenspaltung von 1054 und das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Konfessionen und Nationen.
Kritik auch aus nationalkonservativen Reihen
Doch nicht alle zeigten und zeigen sich von der Annäherung zwischen den beiden Kirchen begeistert. Ausgerechnet bei einem Teil der Politiker der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit ( PiS) von Jaroslaw Kaczynski und deren Wählerschaft stieß diese auf heftige Kritik einer Gruppierung, die bisher eher die Nähe der Kirche suchte und selber Unterstützung von einem Teil der polnischen Geistlichen erfahren hat. "Die Versöhnung mit dem russischen Volk ist meiner Meinung nach kein Problem. Ein gewichtiges Problem ist jedoch dieses Volk unterdrückende 'System Putin' und die Politik des russischen Staates gegenüber Polen. Bis heute wurde nicht die Rolle seiner Amtsträger bei der Katastrophe von Smolensk geklärt. Und deren Widerwille bei dessen Aufklärung ist unübersehbar", schrieb Anna Fotyga im Juli auf ihrer Internetseite.
Die ehemalige polnische Außenministerin, die wie so viele ihrer Parteifreunde und Anhänger fest davon überzeugt ist, dass die Russen für den tödlichen Absturz von Lech Kaczynski verantwortlich sind, und teilweise sogar offen von einem Anschlag sprechen und diesen Mythos pflegen, hat jedoch nicht nur wegen dem Flugzeugunglück von Smolensk Zweifel an der Friedensbotschaft der beiden Kirchen. "Seit vielen Jahren verfolge ich sowohl die Tätigkeit der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau als auch dessen Patriarchen Kyrill. Und ich habe ein Problem damit, diese positiv zu beurteilen. Und dabei denke ich gar nicht so sehr an die in fast jeder Quelle erhobenen Vorwürfe, dass der Patriarch früher mit dem KGB zusammengearbeitet haben soll oder dessen Unterstützung für die Politik Putins", so die Parlamentsabgeordnete. Vielmehr fürchtet sie den "russischen Egoismus", der ihrer Meinung nach von der Russisch-Orthodoxen Kirche getragen und durch die Botschaft gestärkt wird.
Nicht weniger skeptisch äußerten sich bis zum Schluss auch andere nationalkonservative Politiker und Publizisten, was eine ungewöhnlich scharfe Reaktion des polnischen Episkopats hervorrief. "Man muss endlich damit aufhören, Gift und Galle zu spucken. Die katholisch-orthodoxe Botschaft soll zur Annäherung führen. Den Menschen diesen Versuch zu vermiesen, der sie zu diesem hehren Ziel führen soll, ist unseriös", erzürnte sich Bischof Tadeusz Pieronek. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Jozef Michalik, kritisierte wiederum die Attentats-Vorwürfe bezüglich des Flugzeugunglücks von Smolensk. "Um über jemanden, selbst über den größten Feind, so etwas sagen zu können, muss man Beweise und Gewissheit haben. Doch diese Gewissheit gibt es momentan nicht. Deshalb muss man allen sagen, die sich solcher Verschwörungen und Vorwürfe bedienen, dass sie sich damit selbst und der Tragödie von Smolensk am meisten schaden", sagte Michalik in einem _kiedy_mysle:_rosja..._23128/: Interview für die katholische Nachrichtenagentur KAI.
Die Kritik stieß vor allem bei der liberalen Presse auf ein großes Echo, die gleich einen Bruch zwischen der PiS und den polnischen Bischöfen vermutete. Eine Vermutung, ja vielleicht sogar eine Hoffnung, die gleich zu einer überschwänglichen Darstellung des Kyrill-Besuchs in Polen führte. Dabei ist dieser nach der Lektüre der mehrseitigen Erklärung der beiden Kirchen eher mit Vorsicht zu genießen. Denn die so gelobte Botschaft ist vielmehr eine Kampferklärung an den gesellschaftlichen Wandel, den Westeuropa in den letzten Jahrzehnten erlebt hat und der nun auch Osteuropa erreicht hat, wo man heute über eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze und die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften diskutiert und wo auch die Kirchen mit leerer werdenden Gotteshäusern zu kämpfen haben.
Irgendwie passend, dass diese Erklärung am selben Tag unterschrieben wurde, an dem in Moskau die Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt wurden.