Unabhängigkeitsparteien legen bei Wahl in Südtirol deutlich zu
Auch Italiener wählten Gruppierungen, die für eine größere Selbständigkeit der Provinz eintreten
Bei den am Sonntag abgehaltenen Landtagswahlen in der italienischen Provinz Südtirol blieb die Südtiroler Volkspartei (SVP), die sich bei der letzten Nationalparlamentswahl am sozialdemokratisch geführten Bersani-Bündnis Italia Bene Comune beteiligt hatte, mit einem Stimmenanteil von 45,7 Prozent und einem Verlust in Höhe von 2,4 Prozent zwar stärkste Partei, verlor aber erstmals seit 1948 die absolute Mehrheit der Mandate. Dafür legten relativ junge Parteien zu, die eine Unabhängigkeit des Gebiets fordern.
Die Freiheitlichen, die 1992 aus einer Jugendorganisation der SVP hervorgingen, legten um 3,6 Punkte auf 17,9 Prozent zu. Noch entschiedener tritt die Süd-Tiroler Freiheit (STF) für eine Unabhängigkeit ein. Sie gründete sich 2007, nachdem die SVP einen Plan des ehemaligen italienischen Minister- und Staatspräsidenten Francesco Cossiga ablehnte, eine Volksabstimmung über die Selbständigkeit oder eine Wiedervereinigung mit Nord- und Osttirol durchzuführen, und steigerte ihren Stimmenanteil im Vergleich zu letzten Landtagswahl von 4,9 auf 7,2 Prozent. Damit liegt sie knapp hinter den Grünen, die von 5,8 auf 8,7 Prozent sprangen.
Von den italienischsprachigen Parteien legte nur die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) leicht von 6 auf 6,7 Prozent zu. Ein Bündnis aus Forza und der Lega Nord brachte es ebenso wie Beppe Grillos MoVimento 5 Stelle auf lediglich zweieinhalb Prozent. 2008 hatte Silvio Berlusconis PdL 8,3 Prozent erzielt und die Lega Nord war auf 2,1 Prozent gekommen. Die PdL-Abspaltung Alto Adige Nel Cuore, die mit Gianfranco Finis FLI verbunden ist, sammelte weitere 2,1 Prozent ein.
Das Bündnis aus der Bürgerunion, Wir Südtiroler und Ladins Dolomites, das sich besonders für eine Aufwertung der rätoromanischen Volksgruppe der Ladiner einsetzt, kam auf 2,1 Prozent. Ladiner leben nicht nur im Südtiroler Gadertal und in Gröden, sondern auch jenseits der Provinzgrenze im Fassatal, in Fodom und in Cortina d’Ampezzo.
Die neofaschistische Unitalie verlor 0,2 Punkte und flog mit nun 1,7 Prozent aus dem Landtag. Noch schlechter (1,6 Prozent) schnitt Scelta Civica, die Südtiroler Dependance der Monti-Liste ab. Zwei kommunistische Parteien und La Destra Minniti, eine weitere PdL-Abspaltung, blieben mit 0,3 bis 0,6 Prozent in der Bedeutungslosigkeit.
Vergleicht man das Ergebnis mit der letzten offiziellen Bevölkerungsstatistik, dann legt es den Schluss nahe, dass nicht nur Ladiner, sondern auch Italiener zum Teil Parteien wählten, die deutschsprachig dominiert sind und sich für mehr Autonomie einsetzen (wozu auch die SVP zählt). Dies gilt selbst dann, wenn man die Grünen (so wie sie sich selbst sehen) als ebenso italienisch- wie deutsch- und ladinischsprachige Partei wertet. Mögliche Gründe dafür wären, dass Italienischsprecher mit dem gesamten italienischsprachigen Parteienspektrum unzufrieden sind oder dass sie sich von mehr Selbständigkeit Südtirols eine bessere wirtschaftliche Zukunft versprechen.