Unerhörte Abhörer

Juncker, Trump und die Schlapphüte

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Wenn heute die beiden konservativen Alpha-Tiere Jean-Claude Juncker und Donald Trump zusammentreffen, könnten sie direkt eine Selbsthilfegruppe gründen: Beide waren jeweils von ihren eigenen Handlangern abgehört und hierdurch in Bedrängnis gebracht worden.

Trump hat derzeit bekanntlich Ärger, weil sein eigener Rechtsanwalt Michael Cohen eigenmächtig ein Gespräch mitschnitt. So hatte Cohen der Enthüllungskünstlerin Stormy Daniels eine üppige Summe zukommen lassen, um unerwünschte Enthüllungen zu vermeiden. Deren Anwalt fordert nun die Veröffentlichung der Aufnahmen.

Auch Juncker hatte als früherer Luxemburger Staatschef mal ein ähnliches Problem, als er seinen eigenen Geheimdienstchef Marco Mille zu einer brisanten Unterredung unter vier Ohren gebeten hatte. Da Mille jedoch offenbar protokollieren wollte, was gesagt wurde und was nicht, schnitt er das Gespäch mit seinem Boss heimlich mit einem in seiner Armbanduhr versteckten Aufzeichnungsgerät mit.

Im Weißen Haus haben die Wände traditionell Ohren. So ließ Präsident John F. Kenney ein geheimes Tonbandsystem einbauen, um Gespräche diskret zu dokumentieren. Außerdem konnte er während der Kubakrise so aus erster Hand erfahren, was seine Generäle über ihn dachten, als er nicht im Raum war. Präsident Richard Nixon fand die Anlage auch praktisch, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als er nach der Watergate-Abhöraffäre die Tonbänder offenlegen sollte.

Kurioserweise müsste nunmehr auch die CIA ihren eigenen Präsidenten abhören, um zu erfahren, was dieser denn mit dem Ex-KGB-Spion Putin in Hellsinki hinter verschlossenen Türen besprochen hatte. Während normalerweise solche Gespräche für interne Zwecke sogar auf Video dokumentiert werden, verbat sich solches der mit dem Geheimdienst-Establishment zerstrittene Trump. Der Gedanke an einen Lauschangriff ist alles andere als weit hergeholt, denn die US-Dienste verfügen nicht nur über einen hierzu befähigten Special Collection Service, vielmehr vermutet Politico, dass man die Entourage wohl auch konkret ausgespäht haben dürfte.

Ein geheimdienstlicher Lauschangriff auf das Geschwätz zwischen Trump und Juncker wird allerdings nicht erforderlich sein, denn jedem aufmerksamen Beobachter sollte klar sein, dass der Besuch vornehmlich der innenpolitischen Profilierung des eigenwilligen Präsidenten dient. Das nunmehr von Trump getwitterte Angebot einer Zollunion mit Europa ist nach dem gescheiterten TTIP und Trumps Tiraden gegen europäische Partner unrealistisch.

Trotzdem wird Juncker bei seiner Wortwahl wohl vorsichtig sein und Henry Kissingers Bonmot achten: "Wer in Washington nicht paronid ist, spinnt."