Unruhe im Korridor zur deutschen Islamkonferenz
Muslimische Verbände beraten über einen möglichen Austritt
Am 17. Mai sollen sich die Teilnehmer zur Islamkonferenz des Bundesinnenministeriums treffen. Den Vorsitz führt jetzt Thomas de Maizière. Die grundlegenden Fragen sind die gleichen wie beim Vorgänger Wolfgang Schäuble: Wer nimmt teil? Worüber wird geredet? Was bringt der Dialog?
Schon die Frage, wer teilnehmen darf, ist immer wieder Anlass für Aufregungen (siehe Islamkonferenz: Die engen Grenzen des Dialogs). Dass einzelnen Persönlichkeiten wie insbesondere Necla Kelek - die jetzt allerdings nur mehr als Beraterin fungiert und an der Konferenz nicht mehr teilnimmt - ebenso ein Platz eingeräumt wird wie den Verbänden, die reklamieren, die Muslime in Deutschland mit sehr viel mehr Recht zu repräsentieren, gefällt vielen nicht. Die Kritik Keleks wiederum richtet sich gegen die Verbände - und grundlegend gegen die Konferenz selbst, sie fällt oft unerbittlich aus, wie die Reaktionen auf sie auch.
Ob das nun den Dialog befördert oder die Unmöglichkeit des Dialoges nochmal deutlich aufzeigt, ist vielleicht weniger wichtig als die Tatsache, dass mit der Islamkonferenz ein Forum geschaffen wurde, wo die Muslime in Deutschland in einem größeren Spektrum in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das ist schon etwas - angesichts der Schlichtheit, mit der Muslime in öffentlichen Äußerungen über einen Kamm geschoren werden und jeder von ihnen jederzeit mit mehr oder weniger wüsten "Assoziationen" zum Islam behelligt werden kann.
Wer die unterschiedlichen - die gläubigen, die säkularen, die türkischen, die bosnischen, die arabischen, die reicheren, die ärmeren, die hochgebildeten, die weniger gebildeten, die in der Gemeinde aktiven, die organisierten oder die einzelgängerischen, die traditionell oder die modern gesinnten - Muslime mit welchem Recht vertritt, wird wahrscheinlich Dauerthema bleiben. Im Vorfeld dieser Konferenz hat sich nun ein neuer Streit entwickelt, ein Konflikt zwischen den Verbänden und dem Innenminister.
Weil Innenminister Maizière den Islamrat nicht am Tisch haben wollte, berieten die Verbände - die Türkisch-Islamische Union (Ditib), der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bilden zusammen mit dem Islamrat den Koordinationsrat der Muslime (KRM) -, ob sie überhaupt an der Konferenz teilnehmen wollen. Die Entscheidung wurde gestern nach achtsstündigen Beratungen vertagt. Es gebe noch Diskussionsbedarf, wurde verlautbart.
Zuvor hatte Innenminister De Maizière in einem Interview noch einmal erklärt, dass er die Mitgliedschaft des Islamrates ruhen lasse, solange die Staatsanwaltschaft gegen Milli Görüs (wichtigstes Mitglied des Islamrats) ermittle. Da die Vorwürfe gewichtig seien, sie lauten auf "Bildung einer kriminellen Vereinigung, Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Geldwäsche", könne er mit diesen Vertretern nicht an einem Tisch sitzen. Dazu gab De Maizière zu verstehen, dass er sich von den Verbänden eine kritischere Haltung gegenüber Milli Görüs wünsche.
Gleichzeitig baute er den Verbänden eine Brücke bei der Themenwahl: Er könne sich gut vorstellen, dass auch die von den Verbänden vorgeschlagenen Themen wie Rassismus und Islamophobie "durchaus Platz finden" könnten. Die Verbände signalisierten, dass sie dies als Annäherung verstehen.
Kritik an der thematischen wie personellen Ausrichtung der Islamkonfernz durch den Innenminister gibt es von an andereren muslimischen Stimmen in Deutschland. Warum die erfolgreichen lokalen Zusammenschlüsse vieler Muslime und wichtige unabhängige NGO ausgegrenzt werden, wird gefragt. Die Antwort, die ein Kommentar dazu beisteuert, gehört zu den interessantesten Einwendungen gegen die Islamkonferenz, die "von oben" bestimmt und gestaltet wird:
"Ich frage mich, warum die Muslime und ihre Organisationen selbst keine Islamkonferenz in Deutschland veranstalten?"
Die Schriftstellerin Hilal Sezgin macht in einem Interview auf eine grundsätzliche thematische Unschärfe der Islamkonferenz, wie sie vom Innenministerium veranstaltet wird, aufmerksam: Man unterscheide nicht deutlich genug zwischen zwei unterschiedlichen Problemfeldern: dem Thema der Einwanderung (und damit verbundenen Fragen zur Integration) und den Fragen, die sich mit der Religion- und Religionsausübung beschäftigen.
"Ich denke, man müsste säuberlicher trennen: Was sind die Integrationsfragen im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe aller möglichen Leute mit Migrationshintergrund, und was sind die spezifisch muslimischen Fragen im Sinne einer Einbindung und Institutionalisierung des Islams in Deutschland."