Valencia treibt Spanien komplett unter den Rettungsschirm

Die Pleite-Region hat als erste einen Hilfsantrag in Madrid gestellt, wo man dafür aber ebenfalls kein Geld hat

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Dass die Region Valencia seit vielen Jahren von den Konservativen in den Ruin gewirtschaftet wurde, ist kein Geheimnis. Die Region am Mittelmeer ist seit Monaten pleite. Nun haben die konservativen Landesfürsten der Volkspartei (PP) bei der Zentrale in Madrid einen Hilfsantrag gestellt. Vorsorglich hatten die Parteifreunde in der Hauptstadt schon am Donnerstag ein Rettungspaket in der Höhe von 18 Milliarden Euro geschnürt, um abstürzende Regionen aufzufangen. Doch woher dieses Geld kommen soll, weiß auch die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy nicht.

Aus den 100 Milliarden Euro für die Bankenrettung kann es jedenfalls nicht kommen, die nun im Bundestag und am Freitag auch von den EU-Finanzministern definitiv beschlossen wurde. Weil Spanien nicht als Land unter den Rettungsschirm gegangen ist, kann es diese Gelder dafür nicht einsetzen. Damit blieben nur noch der Kapitalmarkt und neue Anleihen übrig. Doch damit steht Spanien vor dem gleichen Problem wie bei den Milliarden für die Bankenrettung, für die das Land schon einen Rettungsantrag gestellt hat.

Gerade am Donnerstag hat sich gezeigt, dass Spanien trotz oder wegen der neuen massiven Sparmaßnahmen bei Anleiheauktionen enorm hohe Renditen bieten musste, die es sich nicht leisten kann. Obwohl in Deutschland und in Finnland der Weg für die Bankenrettung in den Parlamenten freigemacht wurde und sich die EU-Finanzminister am Freitag auf die letzten Details einigten, stieg der Risikoaufschlag für zehnjährige spanische Anleihen gegenüber Bundesanleihen sogar auf ein neues Allzeithoch. Mit mehr als 612 Basispunkten lag der Zinssatz sogar weit über der Grenze von sieben Prozent, an denen sich Griechenland, Irland und Portugal nicht mehr über die Finanzmärkte refinanzieren konnten und als Land unter den Rettungsschirm gehen mussten.

Die Madrider Börse stürzte um fast 6% ab, so stark wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass man auch auf dem Parkett jede Hoffnung verliert, dass die Konservativen das Land stabilisieren könnten. Immer stärker setzt sich die Ansicht durch, dass Spanien über nun schon vier Sparpläne in sechs Monaten wie Griechenland wohl eher in die Depression gespart wird statt.

EU hat zu lange die kreative Haushaltsführung der spanischen Konservativen mitgemacht

Der Widerstand gegen diese Politik wird zudem immer stärker. Nach maroden Banken nun auch noch marode Regionen aufzufangen, in denen vor allem konservative Misswirtschaft und Korruption wie in Valencia blühte, ist auch in Spanien immer schwerer zu vermitteln. In der Region musste im vergangenen Jahr sogar der PP-Regierungschef abtreten. Doch allein blieb der auf der Anklagebank nicht, denn die "Gürtel"-Korruptionsaffäre, in die auch der Schwiegersohn des Königs verwickelt ist, traf auch den ehemaligen PP-Umweltminister und Regierungschef der PP-Chef auf den Balearen.

Wie Valencia haben einige Regionen zum Teil über Jahre keine Rechnungen mehr bezahlt. Besonders stechen dabei die Regionen hervor, die seit vielen Jahren von der PP regiert werden und die besonders geübt darin sind, gegen Defizitvorgaben zu verstoßen. Auch wenn die konservative Regierung gerne auf angebliche Altlasten der Sozialisten verweist, so waren es vor allem die von ihr geführten Regionen, die dafür sorgten, dass die sozialistischen Vorgänger das geplante Defizitziel 2011 (6%) verpasst haben. Deshalb mussten die konservativen Nachfolger dreimal in Brüssel das Haushaltsdefizit nach oben korrigieren. Zuletzt auf fast 9%, weil das Defizit im konservativen Madrid zum Beispiel fast doppelt so hoch war wie ursprünglich gemeldet. Und auch in Valencia fiel es noch deutlich höher aus, als ohnehin schon erwartet worden war.

Es ist weiter ein Geheimnis in Berlin, Brüssel und Paris, warum für die spanischen Konservativen trotz der massiven Verstöße gegen die Vorgaben und trotz ihrer kreativen Haushaltsführung immer wieder Extrawürste gebraten werden. Zweimal wurden in wenigen Monaten die Defizitziele für Rajoy nach oben angepasst. Er bekommt zur Belohnung für die kreative Haushaltsführung seiner Parteigänger sogar nun noch ein Jahr mehr Zeit, um die Stabilitätsmarke von 3% wieder einzuhalten. Es ist nicht schwer zu prognostizieren, dass er auch dieses Ziel 2014 verpassen wird.

Zu erinnern sei auch daran, dass es ebenfalls ein führendes PP-Mitglied war, der ehemalige Vizeministerpräsident Rodrigo Rato, der mit Bankia die viertgrößte Bank in den Abgrund gestürzt hat. Mit den Milliarden, die diese Bank benötigt, musste Spanien den begrenzten Rettungsantrag stellen, für den es die Bedingungen ebenfalls nicht erfüllt hat. Der Nachweis einer soliden Haushaltsführung wird nicht erbracht, wenn das Defizitziel ständig nach oben korrigiert werden muss und die letzte Zielvorgabe sogar um fast drei Prozentpunkte überschritten wird.

Jetzt wird es sich wieder einmal rächen, dass man all diese konservativen spanischen Spielchen mitgemacht hat. Denn das Land wird, nachdem man die begrenzte Bankenrettung über den EFSF am Freitag gerade in trockene Tücher gebracht hat, bald die große Rettungslösung beantragen. Nach den Finanzlöchern in den Banken werden dafür die Finanzlöcher in den Regionen sorgen. Das gesamte Hick-Hack um die spanische Bankenrettung hätte man sich sparen können, wenn man in Brüssel, Berlin und Paris den Tatsachen ins Auge blicken würde. Man darf nun gespannt sein, ob in dem neu aufflammenden Rettungswirrwarr schließlich auch das taumelnde Italien und damit der Euro mit in den Abgrund gerissen werden. Der Risikoaufschlag für Italien ist am Freitag auf über 500 Punkte geklettert und damit wird es für das sehr hoch verschuldete Land gefährlich, das mit einem Schuldenberg von zwei Billionen Euro nicht aufgefangen werden kann.