Vattenfall-Urteil: Mehr Steuergelder an die Stromkonzerne
Bundesverfassungsgericht gibt Entschädigungs-Klage statt
Das Bundesverfassungsgericht hat einer Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik stattgegeben, wie unter anderem Tagesschau.de berichtet.
Das Gericht erneuerte damit praktisch seine 2016 formulierte Ansicht, dass das Ausstiegsgesetz von 2011 in Teilen dem Grundgesetz widerspricht, weil die Entschädigung für die Betreiber nicht eindeutig geregelt sei.
Diese stünde ihnen zu, weil sie unter Umständen die ihnen 2001 zugesicherten Reststrommengen nach dem Gesetz von 2011 nicht vollständig erzeugen und verkaufen könnten.
Formal ging es bei der bereits Ende September getroffenen und nun veröffentlichten Entscheidung darum, dass bei der letzten Atomrechtsnovelle 2018 erneut geschludert wurde, da das In-Kraft-treten nicht eindeutig geregelt wurde. Näheres dazu in der Pressemitteilung der Karlsruher Richter.
Vattenfall ist in Besitz des schwedischen Staates, wird also von der dortigen grün-sozialdemokratischer Minderheitsregierung kontrolliert. Vattenfall ist Miteigentümer der Atomkraftwerke Brokdorf (20 Prozent), Brunsbüttel (66,7 Prozent) und Krümmel (50 Prozent).
Bei den letzteren beiden, die seit 2007 still stehen, ist Vattenfall auch der Betreiber. Brokdorf muss nach dem Ausstiegsgesetz vom Juli 2011 spätestens am 31. Dezember 2021 vom Netz gehen.
Nun muss also der Gesetzgeber erneut ran, und die große Frage wird sein, wie der Entschädigungsanspruch genau formuliert wird. Für Vattenfall geht es nämlich vor allem um die Kraftwerke Brunsbüttel und Krümmel. Doch die standen 2011 nach einer rekordverdächtigen Pannenserie - Telepolis hatte seinerzeit immer wieder berichtet - bereits seit rund vier Jahren still.
Umweltschützer befürchten nun, dass Vattenfall Entschädigung für Strom bekommen soll, der nie hätte produziert werden können. In einer Stellungnahme der Aktionsgruppe ausgestrahlt heißt es, "dass durch handwerkliche Fehler bei der Formulierung von Gesetzen Steuergelder an AKW-Betreiber ausgeschüttet werden müssen".
Es sei ein politisches Desaster, dass Vattenfall für seine "Unfähigkeit (...), seine Kraftwerke ordnungsgemäß und sicher zu betreiben, nun auch noch Schadenersatz" bekommt.
"Bitter" sei "zudem, dass nun erneut Steuergelder an die Stromkonzerne fließen, die sich 2017 mit einer deutlich zu niedrigen Einmalzahlung aus der finanziellen Verantwortung für die Atommüll-Lagerung freigekauft und damit das ökonomische Risiko dem Staat und damit der Allgemeinheit überlassen haben".
Über die Entschädigungssummen wird frühestens 2023 endgültig entschieden, wenn auch die letzten AKW vom Netz gehen. Derzeit laufen noch sechs Reaktoren. Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C gehen im kommenden Jahr vom Netz, Ohu 2, Neckarwestheim 2 und Emsland müssen spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden.