"Vergessen Sie John Kornblum!"
Diskussionen über den Snowden-Film
Am Vorabend zum heute anlaufenden Oliver Stone-Film "Snowden" liefen in diversen Städten Vorpremieren mit Podiumsdiskussionen. In Köln etwa wohnte der Vorführung der vormalige Bundesinnenminister Gerhart Baum bei, seit Jahrzehnten ein entschiedener Streiter gegen Terrorhysterie und Überwachungsstaat.
Baum, der Snowden persönlich getroffen und mit ihm lange diskutiert hatte, bewertete die filmische Darstellung als voll gelungen. Snowden sei ein authentischer Mensch, der unsere Werte verteidige, nun müsse man fragen, wie man Snowden verteidige. Nachdem Stone für seinen Film in den USA keine Unterstützung erfahren und diesen daher in Deutschland realisieren musste, erfüllte es Baum mit Genugtuung, dass die 250 Kinos in den USA, in denen der Film des dreifachen Oscar-Gewinners anlaufe, ausverkauft seien.
Konfrontiert mit dem von der BILD-Zeitung verbreiteten Kommentar des vormaligen US-Botschafters John Kornblum, Snowden sei ein Lügner und der Film gefährlich, empfahl Baum, Kornblum zu vergessen. Mit Unverständnis quittierte Baum die Haltung der Washington Post, die für die Enthüllung von PRISM den Pulitzerpreis erhalten habe, sich nun aber von Snowden distanziere. Baum hob hervor, dass die Snowden-Leaks die Datenschutzgrundverordnung maßgeblich beeinflusst habe. US-Firmen müssten sich hierzulande an deutsches Recht halten.
Die Kölner Theaterregisseurin Angela Richter, die zum Überwachungsthema mehrfach inszenierte und ebenfalls Snowden traf, erwartet inzwischen von der Politik wenig. Baum verwies jedoch auf seine Erfahrung, dass Themen manchmal Jahrzehnte nicht beachtet würden, wie etwa einst der Umweltschutzgedanke. Der Rhein etwa sei bis in die 1970er Jahre als Kloake genutzt worden, weil man irreale Befürchtungen wirtschaftlicher Nachteile hatte. Dann aber sei die Zeit für das Thema gekommen.
Ähnlich beurteilte dies auch Alexander Sander von der Digitalen Gesellschaft und verwies auf den heute selbstverständlichen Sicherheitsgurt, der einst vom ADAC als Beschränkung des freien Bürgers bekämpft worden sei. Sander sieht den Datenschutz der gegenwärtigen Generation, die sich u.a. auf Facebook entblöße, als weitgehend verloren an. Jedoch erlebe er bei seinen Vorträgen in Schulen, dass etwa 8-Klässler inzwischen von Sozialen Netzwerken die Finger ließen. Die künftige Generation habe die Chance, durch Kryptographie und entsprechendes Problembewusstsein der Massenüberwachung zu entgehen.
Der Film selbst ist, was von einem Oliver Stone-Film erwarten werden darf: großes Kino.