"Verrückte an der Macht"
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hält die Sparprogramme in Europa für eine "sehr große Dummheit".
Der renommierte Ökonom Paul Krugman nimmt kein Blatt mehr vor den Mund und geißelt den europäischen Sparkurs. Doch man muss kein Wirtschaftsnobelpreisträger sein, um die Sparpolitik, die derzeit in Europa zum Dogma erhoben wird, als Rezept für ein Desaster zu bezeichnen. Europa spart sich zu Tode und könnte sich in die nächste Rezession sparen. Dass das Spardogma nun auch von den G-20-Staaten übernommen wurde, hat Krugman dazu gebracht, die Herrschenden als "Verrückte an der Macht" zu bezeichnen.
So jedenfalls titelt er in seinem Blog. Er hält es für "sehr große Dummheit", gerade jetzt die Staatsausgaben herunterzufahren. Die wirtschaftliche Lage sei noch zu labil, weshalb das Bremsen der Gesamtnachfrage mit den Sparplänen die Erholung belaste.
"Es ist unglaublich, dass das passiert, obwohl die Arbeitslosigkeit in den Euroländern weiter zunimmt und sich auch in den USA kaum zurückbildet."
Tatsächlich hatte gerade die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) gemeldet, dass die Arbeitslosigkeit in der Eurozone im April weiter auf 10,1% angestiegen ist. Auch neueste Daten vom Arbeitsmarkt in den USA hatten zuletzt neue Sorgen um die Konjunkturentwicklung geschürt.
Doch auch Krugman geht davon aus, dass die Staatsschulden vieler Staaten zu hoch sind. Aber er meint, jetzt sei der falsche Zeitpunkt für Sparprogramme. Jetzt zu sparen sei "vollkommen wirkungslos, um die künftigen Schulden zu reduzieren". Krugman meint, dass die Sparanstrengungen dazu führten, dass auch die Einnahmen der Staaten weiter zurückgehen werden. Wegen steigender Arbeitslosigkeit würden auch Transferleistungen steigen, weshalb die Sparanstrengungen wirkungslos verpufften und letztlich die Staaten "sehr teuer" zu stehen kämen. Er verweist auf Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Demnach rühre gut die Hälfte der Neuverschuldung der Staaten aus geringeren Einnahmen. 18% gehen auf Stützungsmassnahmen zurück und nur 11 Prozent seien höheren Finanzierungskosten zuzuordnen.
Vor allem dürfte Krugman Länder wie Spanien im Blick haben. Dort ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch und die Staatsverschuldung unterdurchschnittlich niedrig. Deshalb hätte das Land noch Spielraum für einen anderen Kurs. Doch am Scheideweg haben sich die Sozialdemokraten dem Sparzwang der EU gebeugt, der dem Land mit dem Rettungspaket aufgezwungen wurde. Doch, so warnt Krugman schon seit längerem, geht von Spanien eine große Gefahr für den Euro aus. Sogar die Ratingagentur Fitch sieht im Sparkurs eine Belastung für die Konjunktur und stufte deshalb Spaniens Kreditwürdigkeit herab, was die Finanzierungskosten steigen lässt.
Der harte und unausgewogene Kurs sorgt dort nun auch für Streiks und der Generalstreik ist offenbar nicht mehr abzuwenden, nachdem am frühen Morgen nach zehn Stunden die Sozialpaktgespräche über die auch von Brüssel geforderte Arbeitsmarktreform gescheitert sind. Doch diese Konflikte werden die wirtschaftliche Erholung weiter erschweren.
Tatsächlich gibt es schon Anzeichen, dass der allgemeine Sparkurs sich auch schon auf Deutschland auswirkt. Noch im März waren die deutschen Exporte auf ein Rekordniveau gestiegen. Damit ist der Aufwärtstrend gebrochen. Im April lieferten deutsche Firmen schon wieder 5,9% weniger Güter und Dienstleistungen ins Ausland. Die Importe gingen sogar um 7,3% zurück, meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag. In einer vernetzten Welt, so Krugman, würde sich der Sparkurs auch bald negativ auf die Entwicklung in den USA auswirken, wo derzeit, anders als in der EU, ein hohes Wachstum verzeichnet wird.