Viktor Orban – Che Guevara der Nationalkonservativen

Die Nationalkonservativen Ostmitteleuropas feiern den ungarischen Regierungschef Orban als Helden und Heilsbringer. Bestes Beispiel dafür ist Polen

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Auf den Straßen Budapests dominierten am Freitag die rot-weiß-grünen Nationalfarben. Wie jeden 15. März beging man in der ungarischen Hauptstadt den Nationalfeiertag, mit dem man an die Revolution von 1848/49 erinnert. Seit dem Wahlerfolg von Viktor Orban hat der Feiertag einen stark parteipolitischen Charakter angenommen. Der konservative Regierungschef mobilisiert jährlich mehrere tausend Anhänger, die durch Budapest marschieren und Orban bei einer Zentralkundgebung bejubeln.

Doch nicht nur Anhänger der Fidesz-Partei bejubelten Viktor Orban, der mit der jüngsten Verfassungsänderung sowohl in Brüssel als auch in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten erneut für Unverständnis und Kritik gesorgt hat, sondern auch Nationalkonservative aus Polen.

Mit einem Sonderzug reiste eine 600-köpfige Gruppe, an deren Spitze die nationalkonservativen Journalisten Tomasz Sakiewicz und Janusz Pospieszalski standen, in die ungarische Hauptstadt. So wie im Vorjahr wollten sie diesmal mit ihren "ungarischen Brüdern und Schwestern" nicht nur deren Nationalfeiertag begehen, sondern auch den "Atem der Freiheit" spüren, wie es die Filmemacherin Ewa Stankiewicz, eine selbsternannte Jeanne d'Arc der polnischen Nationalkonservativen, im vergangenen Jahr ausdrückte.

Dieser Satz sagt alles über den Heldenstatus, den Orban bei den Nationalkonservativen an der Weichsel genießt. Für sie ist der Ungar zum letzten Hüter der Souveränität geworden, der sich dem politischen und wirtschaftlichen Diktat Brüssels widersetzt und auch eine Verwestlichung der Gesellschaft verhindert. "Wenn der Grund für die EU-Vergeltungsmaßnahmen die Entscheidung eines souveränen Staates ist, nur die Verbindung zwischen Mann und Frau als Ehe anzuerkennen, handelt es sich dann wirklich um die europäische Gemeinschaft, um die es uns allen ging?", kommentierte das nationalkonservative Portal Wpolityce.pl die europäische Kritik an der jüngsten Grundgesetzänderung. In Polen, wo sich eine seit Monaten geführte Debatte über nicht-eheliche Partnerschaften zu einem Anschauungskrieg über Homosexualität entwickelte, auch eine Bemerkung mit innenpolitischen Charakter.

Orban als medien- und innenpolitisches Vorbild für die polnischen Konservativen

Noch größere Zustimmung als wegen seiner wertekonservativer Moralvorstellungen, bekommt Viktor Orban von den polnischen Nationalkonservativen für seine Innenpolitik. Seine Gängelung der Opposition, vor allem der im linken Lager, ist für viele Nationalkonservative an der Weichsel die endgültige Befreiung von dem jahrzehntelangen Joch "kommunistischer Eliten und ihrer Nachkommen". Die Auffassung hat durch die ungerechte Verteilung des Wohlstands sowie die Korruptionsskandale der letzten 20 Jahre viele Befürworter gefunden und trug 2005 mit zum Wahlsieg der Kaczynski-Zwillinge und ihrer Partei Recht und Gerechtigkeit bei. Und dass diese ihr Projekt von der "IV.Republik" wegen sechs verlorener Urnengänge in Folge nicht vollenden konnten, liegt nach Meinung vieler nationalkonservativer Politiker und ihrer Anhänger an den ihnen feindlich eingestellten Medien.

Deshalb ist auch an Orbans zweifelhafter Medienpolitik nicht die leiseste Kritik von Polens Nationalkonservativen zu hören, die so gerne die Meinungsfreiheit in ihrem Land bemängeln. Und auch über die jüngsten Verleihungen der Tancsis-Preise, die im Ausland für viele negative Schlagzeilen sorgten, verloren nationalkonservative Medien kein böses Wort.

Jegliche Kritik würde er auch deren Berichterstattung über Ungarn der letzten Monate widersprechen. So veröffentlichten die schon erwähnten Ewa Stankiewicz und Jan Pospieszalski im vergangenen Jahr einen Dokumentarfilm, der die Veränderungen in Orban-Ungarn bejubelt. Zudem führte Pospieszalski in seiner Fernsehsendung Blizej ein ausführliches Interview mit dem ungarischen Regierungschef, während in der liberalen Presse des Landes, so wie im restlichen Europa, die Kritik an Orbans umstrittenen Mediengesetz ihren Höhepunkt erreichte. Und der konservative Journalist und Publizist Igor Janke veröffentlichte im November eine Orban-Biographie – mit dem an ein Fußballbuch erinnernden Titel: "Der Stürmer".

Großen Eindruck macht Orban auch auf die größte Oppositionspartei Polens und deren Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski. Als dessen Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Oktober 2011 die sechsten Wahlen in Folge verloren hat, sagte Kaczynski noch am Wahlabend zu seinen Anhängern, dass "der Tag kommen wird, an dem wir in Warschau Budapest haben werden". Und wie man in Warschau Budapester Verhältnisse bekommt, erklärte Orban den Politikern der PiS Anfang März. Am Rande eines Treffens der Visagard-Staaten in Warschau hielt der ungarische Regierungschef einen Vortrag an der Warschauer Universität, bei dem er den anwesenden PiS-Abgeordneten so gute Tipps für die anstehenden Wahlen gab, dass sie sich mit ihrer Begeisterung nicht zurückhalten konnten. "In Polen gibt es viele Leute, die Sie für Ihre politischen Erfolge und die Stärkung der eigenen nationalen Identität bewundern", lobte Przemyslaw Wipler den ungarischen Regierungschef.