Vom Bremsverfahren zum Eilverfahren
Nachdem Berlin lange auf der Bremse stand wird jetzt - zu spät - aufs Gas getreten
Nachdem das Kind durch Berliner Bremsmanöver in den Brunnen gefallen ist, will man nun die deutschen Finanzhilfen an Griechenland im Bundestag im Eilverfahren beschließen, um den ausgelösten Flächenbrand zu begrenzen ( Bravo, Frau Kanzlerin!). Man findet für das Desaster kaum noch Worte, das durch den Schlingerkurs der schwarz-gelben Regierung in Berlin angerichtet wurde.
Der bisweilen klarer sehende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte schon letzte Woche endlich aufs Gas treten. Er wollte ermöglichen, dass im Bundestag schnell der deutsche Anteil von 8,4 Milliarden Euro bereitgestellt wird, nachdem Griechenland die Nothilfe beantragt hatte. Doch Schäuble, der gegen seine Kanzlerin schon den Internationaler Währungsfonds (IWF) aus dem Hilfepaket herauszuhalten suchte, um den Euro nicht zu beschädigen, wurde sowohl von der FDP als auch vom Unions-Fraktionsvorstand im Regen stehen gelassen. Statt bei seiner Position zu bleiben und notfalls den Hut zu nehmen, machte Schäuble lieber beim Bieterwettbewerb im Griechenland-Spiel mit. Er stellte am Wochenende plötzlich das Hilfepaket grundsätzlich in Frage und gab damit die Initialzündung für explodierende Zinsen. Gestern durfte er offenbar wieder zum alten Kurs zurückkehren und erklärte in den Tagesthemen, dass mit der Unterstützung Athens "die Stabilität des ganzen Euroraums verteidigt" werde.
Das ist richtig und Griechenland und anderen Ländern wären hohe Zinsausgaben erspart geblieben, hätte man in Berlin frühzeitig nach dieser einfachen Wahrheit gehandelt. Hätte man im Februar, als die erste schwammige Hilfszusage kam, klar gestellt, dass Griechenland systemisch ist und klare Hilfen zugesagt, hätte sich auch die Verärgerung in der EU über Deutschland und "Madame Non", wie die Bundeskanzlerin Merkel genannt wird, in Grenzen halten lassen.
Mit dem Gezerre wurde die Lage derart zugespitzt, dass man nun voll aufs Gas treten muss, um die epidemische Ausbreitung der Krise zu verhindern. Sonst könnte das eintreten, was der renommierte New Yorker Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini schon am Rand des Davoser Weltwirtschaftsforums in den Raum stellte. Er schätzte im Januar die Zukunft der europäischen Währungsunion so pessimistisch wie nie zuvor ein und sagte ihr mögliches Zerbrechen voraus. Der Währungsraum zerfalle in ein "starkes Zentrum und eine schwache Ländergruppe an der Peripherie; und eines Tages könnten einige Länder die Währungsunion verlassen", sagte Roubini auch mit Blick auf Spanien, dass neben Portugal nun ins Blickfeld rückt.
Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens gestern um eine Stufe auf "AA" und der Portugals um zwei Stufen auf "A-" treibt nun auch die Zinsen der Staatsanleihen der beiden Staaten auf der iberischen Halbinsel in die Höhe. Ist die Abstufung Spaniens angesichts der Entwicklung sogar nachvollziehbar, ist das neue Niveau, dass Portugal nun erreicht hat, schlicht absurd. Das gilt auch für Griechenland, das von Standard & Poor's (S&P) nun auf Ramsch-Niveau (BBB-) abgestufte, also auf das Niveau des Pleitelands Island.
Da das Haus nun in Brand gesteckt wurde, kann man endlich auch zum Löschen ausrücken. Deshalb will nun auch die Bundesregierung den Gesetzentwurf über den Kredit an Griechenland durch die staatliche Förderbank KfW im Eilverfahren beschließen. Das Gesetz soll jetzt vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden. Das wollte die Regierungskoalition eigentlich mit dem Schlingerkurs aus wahltaktischen Erwägungen vermeiden. Sie befürchtet, dass der Eindruck, man versenke viel Geld in Griechenland, der CDU und FDP Stimmen kosten wird.
Dafür sind Union und FDP aber ebenfalls verantwortlich, weil die Bundesregierung stets gegen Hilfen an "faule Griechen" polemisierte. So sprach sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) noch auf dem Weltwirtschaftsforum Davos komplett gegen die Nothilfe aus. Nachdem die Refinanzierungskosten für das Land durch das Gezerre nun explodiert sind, will Brüderle sogar nicht mehr ausschließen, dass Deutschland auch mehr als die bislang genannten 8,4 Milliarden Euro bereitstellen muss. So kommt dieser Wahlkampf wohl auch Deutschland teuer zu stehen. "Ich kann nicht ausschließen, dass es ein höherer Betrag wird", sagte Brüderle nach Angaben eines Sprechers im Bundeswirtschaftsministerium während einer Brasilien-Reise. Insgesamt gehe Brüderle davon aus, dass Griechenland in den nächsten drei Jahren drei Jahren insgesamt 135 Milliarden Euro brauche.
Obwohl klar ist, dass zur Abwendung der Pleite, mit unabsehbaren Folgen für den Euro, Geld bis zum 19. Mai fließen muss, verstecken sich einige in Berlin noch immer hinter dem IWF. Vize-Regierungssprecherin Heimbach sagte, der Startschuss für die Hilfe könne erst dann fallen, wenn die EU-Kommission, der IWF und die Europäische Zentralbank (EZB) die Hilfsbedürftigkeit Griechenlands festgestellt hätten. Es ist erstaunlich, dass bei einigen Verantwortlichen in Berlin offenbar diese Tatsache noch immer nicht angekommen ist. Das ist natürlich nur Rhetorik, um das Gesicht zu wahren, denn der schuldenkrise-der-fahrplan-fuer-die-griechenland-hilfe/50107592.html: Fahrplan steht längst fest.