Weder Fleisch noch Fisch

Die EU hat auf dem Sondergipfel beschlossen, Griechenland nur im Notfall finanziell unter die Arme zu greifen

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Offenbar brauchen Merkel, Sarkozy und die übrigen EU-Staatschefs noch etwas Zeit, um die harschen Worte vergessen zu machen, mit denen bisher meist jegliche Hilfe für das abstürzende Griechenland kategorisch abgelehnt wurde. So hatte zum Beispiel Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) noch am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos in einem Interview getönt, er wolle nicht, "dass jetzt die deutschen und französischen Steuerzahler die Missentwicklung in Griechenland zu finanzieren haben".

Ernsthaft glaubt niemand mehr, dass Griechenland die Misere aus eigener Kraft lösen kann. Deshalb wird längst daran gefeilt, wie man den Griechen finanziell unter die Arme greifen kann. Im Gespräch sind bilaterale Kredite, Bürgschaften oder der Aufkauf griechischer Staatsanleihen. Insgesamt erstaunte die Aussage nach dem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel, dass der EU-Vertrag Finanzhilfen erlaube, doch die seien "heute nicht erforderlich", sagte EU-Präsident Herman Van Rompuy. Bisher hörte sich das anders an. Er las sein Statement verkrampft von einem Zettel ab und wurde dabei von Kommissionspräsident José Manuel Barroso überwacht.

Nur blumig wird bisher angedeutet, was wohl unvermeidbar wird. Damit sollen die eingestimmt werden, die irgendwann zur Kasse gebeten werden. Gleichzeitig soll der Druck auf Griechenland aufrechterhalten werden. Man werde das Land nur im Notfall finanziell unterstützen, lautet die bisherige Sprachregelung, auf die sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder geeinigt haben. "Die Mitgliedstaaten der Eurogruppe werden entschlossen und koordiniert handeln, sofern das nötig ist, um die finanzielle Stabilität in der Eurozone insgesamt zu sichern", erklärte Rompuy. Er fügte aber an, dass die griechische Regierung um keinerlei finanzielle Unterstützung gebeten habe. "Griechenland wird nicht alleingelassen", sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Aber es gibt Regeln, und diese Regeln müssen auch eingehalten werden", fügte sie an.

Welche Regeln wohl gelten, wenn ein Euroland abstürzt und im Dominoeffekt andere Länder und den Euro mitzureißen droht, darf gefragt werden. Man sollte sich nur daran erinnern, was möglich war, als einer Münchner Bank der Absturz drohte, weil sie als "systemisch" eingestuft wurde. So erinnert der Vorgang dramatisch an das Krisenmanagement bei der Hypo Real Estate (HRE). Von der Ablehnung von Hilfen bis zur Verstaatlichung war es nur ein kurzer Weg. Nach dem Gipfel gab es aber auch andere Aussagen: "Es ist klar, dass wir die Situation nicht sich selbst überlassen und vielleicht ein echtes Desaster riskieren können", sagte weniger blumig Litauens Premierminister Andrius Kubilius.

So kann nun also gewartet werden, wann real der Notfall deklariert wird. Nur hat man dann weiteres Vertrauen verspielt und es wird zu entsprechenden panischen Reaktionen kommen. Die Märkte haben auf die wachsweichen Erklärungen schon reagiert. Das könnte dazu führen, dass der Notfall noch schneller eintritt, also noch bevor die europäischen Finanzminister wohl in der kommende Woche konkrete Hilfen beschließen dürften. Die Kosten für eine Absicherung gegen den Ausfall griechischer Staatsanleihen zogen derweil wieder an, womit sich die Kosten für Griechenlands neue Schulden schon wieder erhöhen. Der Euro, der sich zwischenzeitlich wieder erholt hatte, rutschte in die Nähe seines Acht-Monats-Tiefs vom Wochenanfang. Dass der spanische Ibex 35 sogar um fast 1,7 % in die Knie ging, zeigt, dass man beim nächsten Pleitekandidat besonders nervös ist.

Klar ist, dass die Taktik auch auf streikende Griechen zielt. Schließlich ging gestern nicht sehr viel in Europas Südosten. Der Streik von Beamten und Staatsangestellten gegen die Sparpläne der sozialistischen Regierung legte den Flugverkehr, Behörden, Schulen und Universitäten lahm und neue Proteste sind schon angesetzt. Deshalb wird an die Adresse Athens auch gebetsmühlenhaft der Aufruf gerichtet, sie müsse das Sparprogramm "rigoros und entschlossen" umsetzen.

Obwohl die EU-Kommission die bisherigen Sparpläne gebilligt hat, wird das Land zu noch stärkerem Sparen aufgefordert. Dass Griechenland das ohnehin geschätzte zweifelhafte Defizit von 12,7 % im laufenden Jahr auf 8,7 % senken wird, ist real so wenig umsetzbar, wie das Versprechen, bis 2012 unter die Stabilitätsgrenze von 3 % zu kommen. Nur mal zum Vergleich. Spanien hofft, dass es sein Defizit von 11,4 (das der Internationale Währungsfonds allerdings auf 12,3 % schätzt) 2010 nur auf knapp 10 % drücken kann. Seit sich Griechenland in die Währungsunion geschummelt hat, hat es die Stabilitätsgrenze wohl noch nie eingehalten.