Wem schadet der Brexit?
Vergleicht man die Börsen in London und anderen europäischen Ländern, dann geben Anleger ein klares Signal
Es war seit der Brexit-Entscheidung schon sehr aussagekräftig, wie verschieden die Börsen auf der Insel und auf dem europäischen Festland darauf reagiert haben.Stürzten die Kapitalmärkte in Europa zum Teil so stark ab, wie noch nie in ihrer Geschichte, wurden in London nur leichte Verluste verzeichnet. Hatten sich die Börsen nach der Brexit-Entscheidung aber schnell wieder stabilisiert, verfestigt sich seit Wochenbeginn wie schon festgestellt eine Entwicklung. Denn für Anleger im Königreich stellt der Brexit bisher offensichtlich alles andere als ein Problem dar, während man in Kontinentaleuropa da offensichtlich mehr Probleme hat.
So drehten die Börsen in Europa seit Wochenbeginn wieder ins Minus. Auch auf der Frankfurter Börse hat der Leitindex Dax seit Montag zum Teil wieder deutliche Einbußen hinnehmen müssen. In London stieg der FTSE sowohl am Montag als auch am Dienstag gegen den Trend an. Er drehte erst am Mittwoch ins Minus. Schaut man genau eine Woche zurück, stellt man fest, dass der Dax knapp 1% verloren, während der britische Leitindex FTSE mehr als 5% zugelegt hat. Schaut man sich auch die Zeit vor dem Brexit an, dann hat der Dax in den zurückliegenden drei Monaten 2,6% verloren, der FTSE dagegen 4,9% gewonnen.
Klarer "Verlierer" ist nach dem Brexit nur das britische Pfund, das seit dem Brexit deutlich gegenüber dem Dollar und dem Euro an Wert verloren hat. Doch das ist eben auch vor allem für die EU ein Problem. Dass die britische Währung nun auf einem Stand wie vor drei Jahrzehnten ist und gegenüber dem US-Dollar sogar schon 13% verloren hat, macht Waren und Dienstleistung von den Inseln weltweit billiger. Gegenüber dem Euroraum hat Großbritannien mit einem Schlag etwa 8% Wettbewerbsfähigkeit gewonnen.
Das bedeutet auch, dass weniger Menschen aus dem Königreich Urlaub im Euroraum machen oder aber weniger Geld ausgeben werden, weil wir nun deutlich teurer geworden sind. Dafür dürften mehr Menschen nun Schottland, Nordirland, England und Wales besuchen, da das Königreich deutlich billiger geworden ist. So lässt sich dann auch verstehen, warum die Börsenentwicklung so unterschiedlich verläuft und man in Großbritannien bisher mit den Brexit eher gelassen umgeht.
Allerdings ist ein Kapitalabzug aus Großbritannien zu beobachten. Seit Montag haben fünf Immobilienfonds den Handel mit Anteilen eingestellt. Darunter ist auch der "U.K. Property PAIF fund" von Henderson. Es ist der größte Fonds dieser Art des Landes, der allein ein Volumen von etwa 5,2 Milliarden Euro hat. Man habe einen "außergewöhnlichen Liquiditätsdruck" festgestellt, teilte Henderson in London mit. Man wolle mit dem Schritt das Interesse aller Investoren wahren.
Bei den Anlegern in den Fonds herrscht, mit Rückblick auf die Ereignisse in der Finanzkrise ab 2008, eine gewisse Panik davor, dass die Immobilienpreise nun sinken oder die Fonds ganz abstürzen könnten. Zu viele Anleger wollten plötzlich ihre Gewinne retten oder aussteigen. Ähnlich wie bei Bank-Runs kommen die, die nicht schnell genug sind, dann eben nicht mehr an ihr Geld. Erwartet wird, dass das Monate dauern kann.
Das sagt natürlich auch viel über die Sicherheit der Anlagen in solchen Fonds aus, die meist schnell bei Verwerfungen ins Trudeln kommen. So erinnert das Handelsblatt an das Jahr 2008, als sich zahllose deutsche Anleger auf einen Schlag die Anteile an ihren Immobilienfonds auszahlen lassen wollten. Auch damals wurden die Kundengelder in einem Umfang von bis zu 34 Milliarden Euro auf Eis gelegt. "Acht Fonds blieben dauerhaft eingefroren und mussten am Ende abgewickelt werden – ein Prozess, der bis heute nicht vollständig abgeschlossen ist." Den Anlegern habe das bisher geschätzte vier Milliarden Euro Verlust eingebracht.