Wikileaks, UFOs, Fatwas und PayPal
Während Julian Assange die Veröffentlichung weiterer Dokumente androht, kündigt der ehemals als Gefährder staatlicher Geldhoheit angetretene Zahlungsdienstleiter PayPal der Whistleblower-Organisation die Zusammenarbeit auf
In einem vom Guardian organisierten Live-Chat gab der via Interpol und seit gestern mit einem aufgerüsteten schwedischen Haftbefehl gesuchte Wikileaks-Gründer Julian Assange bekannt, dass er trotz des Verfolgungsdrucks nicht von weiteren Enthüllungen absehen will.
Die von der Bild-Zeitung und der Welt spektakulär präsentierte Äußerung, es gäbe im noch nicht veröffentlichten Teil der Cablegate-Sammlung auch Dokumente zu UFOs, könnte sich allerdings als weit weniger sensationell entpuppen, als sie derzeit scheint. Dass Regierungsstellen über solche angeblichen Sichtungen informiert werden, ist nämlich nichts ungewöhnliches – vor allem, wenn man bedenkt, welche Personen bisher als Informanten bekannt wurden.
Zu den Fatwas erzürnter amerikanischer und kanadischer Politiker meinte der 39-Jährige, dass Staatsanwaltschaften hier wegen Anstiftung zum Mord ermitteln sollten. Hinsichtlich weiterer Sicherheitsfragen sagte er relativ unbestimmt, er wisse, mit wem er sich angelegt hat, und schütze sich, so gut das eben möglich sei. Medienberichten zufolge könnte ein Teil seines Schutzes in einem Passwort bestehen, das im Falle seines Ablebens veröffentlicht wird und mit dem sich eine überall auf der Welt verbreitete Datei mit den Klarnamen amerikanischer Geheimdienstinformanten entschlüsseln lässt.
Eine interessante Wirkung der Wikileaks-Veröffentlichungen ist, dass sie die Sollbruchstellen in der Republikanischen Partei noch stärker sichtbar macht als bisher: Während der Evangelikale Mike Huckabee etwa die Erschießung von "Verrätern" forderte, erklärte der Libertäre Ron Paul seinem Land, warum die Welt mehr Wikileaks braucht. Die vom Libertären Peter Thiel mit begründete Zahlungsdienstleister PayPal, der ehemals als Gefährder staatlicher Geldhoheit antrat, kündigte Wikileaks dagegen die Zusammenarbeit auf, was den Empfang von Spenden erschwert, aber nicht unmöglich macht.
Weil die Washingtoner Kongressbibliothek die Whistleblower-Sites blockt und Einrichtungen wie das US-Militär und die Columbia-Universität Soldaten und Studenten mit Drohungen von einem Zugriff auf Informationen abhalten wollen, spricht Wikileaks mittlerweile von einem "digitalen McCartyismus" und verweist genüsslich auf die "surreale" Situation, dass die russische Pravda die USA wegen ihres Umgangs mit der Pressefreiheit kritisiert.
Auch für Personen, die nicht an der Columbia-Universität studieren oder beim US-Militär beschäftigt sind, gibt es derweilen Verwirrung um die Erreichbarkeit der Cablegate-Dokumente: Nach einer DNS-Sperre half erst die schweizerische Piratenpartei aus, dann verwies die Whistleblower-Organisation via Twitter auf Deutschland, Finnland, die Niederlande und die gegen Zensur via DNS unempfindliche IP-Nummern-Direkteingabe 213.251.145.97