Wo ist mein Icelandic Art Center?
Jeder hat einen: den treuesten Spamabsender der Welt. Und das ist gut so
Ich weiß nicht, ob ich mir Sorgen machen muss über das Iclandic Art Center. Es ist nämlich so, dass ich schon seit Wochen kein Mail mehr aus Reykjavik bekommen habe. Das macht mir Sorgen. Dabei hatten wir inzwischen eine wirklich liefe und intensive Beziehung zueinander aufgebaut.
Der Server mit den Spam Mails und ich.
Denn ich kann mich einfach nicht daran erinnern, jemals den Damen oder Herren vom Icelandic Art Center mein Einverständnis gegeben zu haben, ihren etwas merkwürdigen Newsletter mit Kunstevents und Hinweisen auf isländische Künstler abonniert zu haben. Nein, habe ich nicht.
Und sie werden ja auch nicht neben einem der noch dort existierenden Gletscher sitzen, vor sich hinsinnieren und sich sagen: Mensch, der Taglinger, da in der fernen Schweiz, der Taglinger braucht für sein Lebensglück mehr Informationen über unsere innländische Kunst. Nein, das werden sie vielleicht auch nicht einmal gedacht haben. Wir kennen uns schließlich gar nicht. Und selbst wenn, wäre das noch lange kein Grund, mir ständig elektronische Post zu schicken.
Wie es nun einmal so geht, habe ich in den vergangenen zehn Jahren nun regelmäßig merkwürdige Nachrichten von dieser Mailadresse erhalten. Jahrein, jahraus. Genau gelesen habe ich den Inhalt nicht, er entsprach jetzt auch nicht immer hundertprozentig dem, was ich als Zielgruppe ausmache, wenn man mich wieder einmal zu einer Vernissage in Island einlud. So etwas mache ich an Donnerstagabenden nicht einmal in Zürich. Aber faszinierend an diesen wiederkehrenden Freundlichkeiten (dochdoch) war schon, dass ich alles Mögliche ausprobiert habe, um von diesem Verteiler zu kommen.
Ich habe einfach den Unsubscribe-Link genutzt. Das macht ja auch Sinn, man kann sich vermutlich darüber aus einer Liste austragen lassen. Aber das half hier nichts. Wie ein treues Hündchen fanden sich immer wieder diese Mails in meiner Inbox. Sogar geschrieben habe ich, persönlich, man möge doch den Versand an mich lassen. Aber der Isländer an sich redet ja nicht gerne und trat deshalb über das Icelandic Art Center auch nicht in Kontakt mit mir. Hätte ich mir denken können.
Und selbst eine ausgebuffte Spamfilter-Strategie schien nicht zu helfen. Immer wieder kamen neue Zeilen bei mir an und mogelten sich zu mir hindurch in die Inbox. Es hatte auf die Jahre hin doch etwas Rührendes. Ich begann herzenswarme Gefühle zu bekommen, sobald ich die Absenderadresse sah.
Und nun das.
Es kommt nichts mehr. Schon seit Wochen, gefühlten Monaten. Ich überlege schon, ob ich das Mail neu abonnieren sollte, aber dann könnte es passieren, dass man mich nicht beachtet, und das will ich auch nicht. Vermutlich tickt ein Mailverteiler in einem Land, das kaum Bäume, dafür aber furchtbaren Birkenschnaps hat, vollkommen anders. Mehr nach dem Prinzip: Einmal drin, immer drin, bis es Spaß macht, dann nicht mehr drin.
Oder es geht dem Icelandic Art Center in letzter Zeit nicht gut, oder es war alles gesagt, was es zu isländischer Kunst zu sagen gibt. Depression gefolgt von langen Wintermonaten machen seitdem jede schriftliche Äusserungen unmöglich. Und ich sollte mir Sorgen machen um das dortige Personal, das sich so wacker über die Jahre mit mir unterhalten hat.
Es ist ein furchtbares Gefühl der Verlassenheit und des Weltschmerzes an sich, wenn selbst hartnäckige Spammails die eigene Inbox nicht mehr verstopfen. Das ist fast so, als für der nervige Nachbar endlich nach Jahren ausziehen, und dann ist es mit einem Mal so furchtbar still um das Haus herum.
Etwa so. Jetzt hoffe ich wirklich, dass mich heute zumindest wieder einmal eine Nachricht von einer Million Dollars erreicht, die ich von einem südafrikanischen ... ach, man soll sich nicht zu sehr auf Dinge freuen, die einem irgendwie gar nicht zustehen. Vermutlich bin ich von der weltweiten Spamliste genommen worden. Ausgestoßen. Alleine. Jetzt soll ich mal sehen, wie ich damit klarkomme.