Zapatero soll die "Flügel der Gewerkschaften stutzen"

Das forderte das Wall Street Journal, damit Spanien nicht wie Griechenland endet

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Es ist kein Zufall, dass das konservative Wall Street Journal (WSJ) gestern mit einem Leitartikel heftig in die spanische Politik eingegriffen hat. Schließlich musste der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero vor dem Parlament zur schweren Wirtschaftskrise Rede und Antwort stehen, weil ihn die Opposition dazu gezwungen hat. Dort war er einer anschwellenden Forderung nach Neuwahlen ausgesetzt.

Die Konservativen des WSJ steuerten nun ihrerseits etwas zum wachsenden Druck auf die Regierung bei. Sie wollen Zapatero sagen, wo er das Messer ansetzen müsse, damit die Finanz- und Wirtschaftskrise überwunden werden kann. Natürlich fordert die Zeitung keine Beschränkung der Boni für Banker oder eine bessere Kontrolle für die Finanzinstitute, die vor allem für die Krise verantwortlich sind. Das Wall Street Journal fordert Zapatero offen auf, die "Flügel von einigen weiteren Gewerkschaften zu stutzen", wenn Spanien die Krise überwinden und nicht in einem Atemzug mit Griechenland genannt werden wolle. "If Spain wants to get out of this economic crisis and avoid the fate of Greece in the eyes of bond investors, it will have to clip a few more union wings."

Mit diesem Satz wechselt die Zeitung zum eigentlichen Thema, denn der Streit mit den Fluglotsen diente ihr nur als Aufhänger. Deren Gehälter will die spanische Regierung nun per Dekret senken. Denn sie verdienen mehr als in Europa üblich ist und ihre Produktivität sei zudem noch deutlich geringer, meint die Regierung. In dieser Krise könne man sich das nicht mehr leisten, erklärte der zuständige Minister José Blanco. Die "Millionengehälter" (auch spanische Minister rechnen noch in Peseten) sollen auf 200.000 Euro im Jahr beschränkt werden (gut 33 Millionen Peseten). Um nach dem Bummelstreik über Weihnachten ein neues Chaos im Osterflugverkehr zu vermeiden, soll die Flugsicherung nun zum nationalen Interesse erklärt werden. Es könnten dann Lotsen aus anderen Ländern als Streikbrecher im Osterreiseverkehr eingesetzt werden, weil die spanischen Fluglotsen neue Ausstände angekündigt haben.

Dass das Wall Street Journal ausgerechnet diese bisher gehätschelte Gruppe von Großverdienern (vor allem nach spanischen Verhältnissen) als Beispiel für "Überregulierung und rigide Arbeitsgesetze" und als "Symptome" von größeren Fehlern anführt, "welche die spanische Ökonomie seit langem plagen", lässt zwei Schlüsse zu: Entweder die WSJ hat keinen Schimmer davon, wie der Arbeitsmarkt in Spanien aussieht oder sie will offen die neoliberalen Vorstellungen der Volkspartei (PP) stützen. Es ist bekannt, dass die WSJ dem Medienmogul Rupert Murdoch gehört. Nach der peinlichen Abwahl 2004 wechselte der Ex-Regierungschef José María Aznar (PP) ins Imperium von Murdoch als Berater. Seither schreibt auch Aznar bisweilen für das Wall Street Journal. Es braucht keine Verschwörungsszenarien und keinen Geheimdienst, um hier die Zusammenhänge zu erkennen.

Dass die PP und ihr Ehrenvorsitzender Aznar gerne die Flügel der Gewerkschaften stutzen würde, ist auch bekannt. Der Partei wäre nur recht, wenn auch diese Drecksarbeit der Sozialdemokrat Zapatero erledigen würde. Schließlich hofft die PP, alsbald wieder Spanien regieren zu dürfen. Geschwächte Gewerkschaften könnten ihr dann nicht noch einmal in die Suppe spucken. Die vereitelten 2002 die geplanten tief greifenden Einschnitte über die Arbeitsmarktreform weitgehend.

Dabei haben sich großen spanischen Gewerkschaften schon selber stark geschwächt, weil sie stets zu weitgehenden Zugeständnissen bereit waren. Deshalb gibt es praktisch keinen Kündigungsschutz mehr. Auch weil es so einfach ist, die Beschäftigten auf die Straße zu setzen, weist Spanien mit offiziell fast 20 % die höchste Arbeitslosigkeit in der Eurozone aus. Dazu kommt, dass befristete Arbeitsverhältnisse schon vor der Krise Urstände feierten. Schon 2005 gab es fünf Millionen Beschäftigte mit einem Zeitvertrag. Das waren mehr als in Italien, Großbritannien, Belgien und Schweden zusammen. Feste Verträge wurden und werden kaum noch geschlossen. Auch deshalb konnte die Arbeitslosigkeit so enorm schnell anschwellen wie in keinem anderen Land.

Das ist auch ein wichtiger Grund, warum das Land so tief in der Krise steckt. Denn damit ist der für Spanien so bedeutsame Binnenkonsum eingebrochen. Auch deshalb läuft die Krise in Ländern, wie in Deutschland, wo der Arbeitsmarkt aber deutlich stärker reguliert ist, um einiges glimpflicher ab als in Spanien. Jetzt die völlige Freigabe der Kündigungen zu fordern und sie zudem noch billiger zu machen, wie es der Unternehmerverband fordert, wird das Land aber nicht aus der Krise holen. Die Wettbewerbsfähigkeit wird damit ebenfalls nicht verbessert. Die WSJ versucht jetzt aber, bei Zapatero Stimmung gegen die Gewerkschaften zu machen, weil die sich erstmals massiv seinen Plänen widersetzen. Sie wollen nicht zulassen, dass die ohnehin spärlichen Renten gekürzt werden und das Eintrittsalter von 65 auf 67 heraufgesetzt wird.