Zeit für die Stunde Null in Polen
Durch das Unglück von Smolensk scheint Jaroslaw Kaczynski momentan gut im Rennen bei den Präsidentschaftswahlen zu liegen
Das Flugzeugunglück von Smolensk, bei dem vor fast zwei Wochen der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski, seine Ehefrau Maria und 94 weitere Menschen ums Leben kamen, ist in Polen immer noch allgegenwärtig – täglich finden die Beerdigungen der weiteren Opfer statt, von denen die letzten 21 erst am Freitag aus Moskau in ihre Heimat zurückgekehrt sind.
Mit der umstrittenen Beisetzung von Lech Kaczynski auf dem Krakauer Wawel endete jedoch die offizielle Staatstrauer und somit der Stillstand der polnischen Politik. Deutlich wurde es an den Schlagzeilen der Presse von Montag. Neben den Berichten über die Beerdigung Kaczynskis, war der anstehende Präsidentschaftswahlkampf das dominierende Thema.
Und dies ist nicht besonders überraschend. Wie schon vorige Woche vermutet wurde, schrieb am Mittwoch der Sejmmarschall und Interimspräsident Bronislaw Komorowski die Präsidentschaftswahlen für den 20. Juni aus. Sollte es zu einer Stichwahl kommen, würde diese am 4. Juli stattfinden. Nun haben die Parteien bis zum 26. April Zeit, ihre Wahlkomitees anzumelden. Bis zum 6. Mai müssen diese Komitees 100.000 Unterschriften sammeln, um ihre Kandidaten registrieren zu lassen.
Für den Bund der Demokratischen Linken ( SLD und die konservative Recht und Gerechtigkeit ( PiS) ist dies durchaus eine Herausforderung. Neben Lech Kaczynski, der sich als Kandidat der konservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) aller Wahrscheinlichkeit nach zur Wiederwahl gestellt hätte, starb der Vize-Sejmmarschall Jerzy Szmajdzinski, der als Kandidat der SLD bei den ursprünglich für Herbst geplanten Präsidentschaftswahlen antreten sollte.
Im Dezember 2009 ernannte die SLD ihren stellvertretenden Vorsitzenden zum Kandidaten für die ursprünglich im Herbst dieses Jahres geplanten Präsidentschaftswahlen, nachdem Wunschkandidat Wlodzimierz Cimoszewicz ablehnte. Und dies trotz der besten Umfragewerte, die der ehemalige Premierminister von allen SLD-Kandidaten erhielt.
Und auch in den aktuellen Umfragen schneidet Cimoszewicz von allen SLD-Politikern am besten ab. Doch trotz des Todes von Szmajdzinski hat Cimoszewicz weiterhin kein Interesse an einer Präsidentschaftskandidatur und stellte die Postkommunisten damit vor ein Problem. Neben Szmajdzinski kam in Smolensk auch Jolanta Szymanek-Deresz ums Leben, die nicht nur stellvertretende Parteivorsitzende gewesen war, sondern auch eine mögliche Alternative zu Szmajdzinski.
Das führte dazu, dass die Partei noch während der Staatstrauer, auch wenn dies hinter verschlossenen Türen geschah, einen neuen Kandidaten suchte. Eine Möglichkeit bei dieser Suche war ein Gemeinschaftskandidat der zersplitterten polnischen Linken. Wie polnische Medien vergangene Woche berichteten, soll es zwischen dem SLD-Vorsitzenden Grzegorz Napieralski und Paweł Piskorski, dem Vorsitzendem der Demokratischen Partei (SD) ( SD), die bei den Präsidentschaftswahlen den Ex-Außenminister Jerzy Olechowski unterstützen wird, erste Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit gegeben haben.
Doch innerhalb der SLD stieß ein Gemeinschaftskandidat der Linken auf wenig Gegenliebe. Was dazu führte, dass sich in den letzten Tagen das Personalkarussell in der SLD heftig drehte und bei Grzegorz Napieralski stehen blieb. Am Donnerstag beschloss die SLD-Führung, dass ihr Vorsitzender bei den Wahlen antreten wird. Eine Entscheidung, über die der 36-Jährige anscheinend nicht so glücklich war. "Er sah aus, als ob ihn eine Walze überfahren hätte", bemerkte ein polnischer Journalist nach der Verkündung der Entscheidung.
An diesem Wochenende wollte auch die konservative PiS über ihren Kandidaten entscheiden, verschob dies jedoch auf Montag. Doch einiges deutet daraufhin, dass sich der Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski um das Amt seines verstorbenen Zwillingsbruders bemühen wird. Dies auch aus innerparteilichen Gründen. "Bei dem Flugzeugunglück in Smolensk verlor Kaczyński nicht nur seinen Bruder, sondern auch die so genannte Präsidentenfraktion, die innerhalb der PiS nicht nur die Politik der Zwillinge vertrat, sondern auch deren Position sicherte", so die Politologin Dr. Anna Materska-Sosnowska vom Warschauer Institut für Politikwissenschaften gegenüber Telepolis. Und mit dem ehemaligen Justizminister und heutigen Europaabgeordneten Zbigniew Ziobro hat Kaczynski einen Konkurrenten, der innerhalb der Partei und in der Bevölkerung äußerst hohe Beliebtheitswerte hat.
Durch das Unglück von Smolensk scheint Kaczynski momentan allerdings besseren Wahlchancen zu haben. "Mit dem Wissen um die schwere Krankheit der Mutter, hat es die Polen beeindruckt, mit welcher Haltung er die Särge seines Bruders und seiner Schwägerin empfing", sagt Materska-Sosnowska. Und die aktuellen Meinungsumfragen bestätigen sie. In allen aktuellen Umfragen legt die konservative PiS stark zu. Zum Nachteil von Bronislaw Komorowski. Der Kandidat der regierenden Bürgerplattform ( PO) galt bisher als der klare Favorit. Doch in den letzten Tagen hat seine Partei viel an Zustimmung verloren, verbunden mit wachsender Kritik an seiner Interimspräsidentschaft.