Zu wenig Frauen in China
Im Land der Mitte werden immer weniger Kinder geboren. Schon bald dürfte die Bevölkerung beginnen zu schrumpfen
Chinas Bevölkerung ist 2020 nur noch minimal gewachsen und liegt nun bei auf 1,412 Milliarden. Die Zahl der Geburten ging erneut zurück. Wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet, erblickten 2020 im Land der Mitte nur zwölf Millionen Babys das Licht der Welt, 2,65 Millionen weniger als im Jahr zuvor.
In den letzten beiden Monaten 2020 gab es demnach 45 Prozent weniger Geburten als 2015, dem letzten Jahr vor Aufhebung der Ein-Kind-Politik. Der jüngste Rückgang um 18 Prozent gegenüber 2019 mag stark von der Corona-Pandemie beeinflusst sein, hat aber nur einen ohnehin negativen Trend verstärkt.
Offensichtlich hat die Aufhebung der Restriktionen nicht zum erwünschten Anstieg der Geburtenrate geführt. Die Zahl der Geburten pro 1000 Einwohner lag 2020 mit 8,52 so niedrig wie nie zuvor seit Ausrufung der Volksrepublik 1949. Selbst während der großen Hungersnot Anfang der 1960er-Jahre war die relative Zahl der Geburten mehr als doppelt so hoch.
Selektive Abtreibungen
Ursache für den langfristigen Geburtenrückgang ist unter anderem auch die abnehmende Zahl der Frauen unter 30 Jahren, was wiederum daran liegt, dass bis vor fünf Jahren die Zahl der Kinder pro Familie stark reglementiert war.
Städter durften meist nur ein Kind haben, es sei denn sie hatten eine Tochter bekommen. Dann war zeitweise ein weiteres Kind erlaubt, sobald das erste fünf Jahre alt war. Auf den Dörfern und besonders bei den nationalen Minderheiten waren die Beschränkungen nicht ganz so groß.
Doch insgesamt kam es in der Folge unter anderem zu einer großen Zahl eigentlich illegaler selektiver Abtreibungen weiblicher Föten, sodass es in China im gebärfähigen Alter nun einen deutlichen Männerüberschuss gibt.
Mitglied in wachsendem Club
In China wird inzwischen von einer Bevölkerungskrise gesprochen. Schon jetzt ist absehbar, dass die Bevölkerung in wenigen Jahren zu schrumpfen beginnen wird. Noch früher wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter ihren Höhepunkt überschreiten.
Damit wird China Mitglied in einem wachsenden Club. In weiten Teilen der Welt ist die Geburtenrate längst unter das Niveau gesunken, bei dem die Bevölkerungszahl langfristig stabil bliebe.
Hierzulande überwiegt die Zahl der Todesfälle schon seit 1972 die Zahl der Geburten. Gäbe es nicht in den meisten Jahren eine Netto-Einwanderung, wäre die hiesige Bevölkerung bereits um über fünf Millionen Menschen geschrumpft.
Insgesamt schwächt sich auch das weltweite Bevölkerungswachstum immer weiter ab. Nach den Daten der Vereinten Nationen geht das prozentuale Wachstum seit Anfang der 1990er zurück.
In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahren nahm die Zahl der Menschen noch um 1,79 Prozent jährlich zu. Anfang der 1990er waren es dann 1,51 Prozent im Jahr und im darauffolgenden Jahrfünft 1,34 Prozent/Jahr. Zuletzt waren es zwischen 2015 und 2020 nur noch 1,09 Prozent jährlicher Zuwachs.