Zunehmend aufgelöste Fronten bei der Bundespräsidentenwahl

Die Grünen nominieren Hildegard Hamm-Brücher als Delegierte, die Bremer FDP bekennt sich offen zu Joachim Gauck und die sächsische verzichtet auf eine Empfehlung für Christian Wulff

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Am 30. Juni wählen 1244 Delegierte einen neuen Bundespräsidenten. Die Hälfte davon sind Bundestagsabgeordnete, die andere Hälfte wird von den Fraktionen aus den Landesparlamenten entsandt. Weil das für sie eine gute Gelegenheit zu kostenloser Werbung ist, greifen diese dafür häufig auch auf Prominente zurück. Ein bemerkenswerter Schachzug gelang dabei den hessischen Grünen: Sie entsenden mit Hildegard Hamm-Brücher die "große alte Dame das politischen Liberalismus" als Delegierte in die Bundesversammlung. Hamm-Brücher hatte vorher die Nominierung Joachim Gaucks öffentlich als "hervorragende Idee" gelobt.

Der hessische Grünenchef Tarek Al-Wazir meinte, seine Partei wolle mit der Entscheidung für die ehemalige FDP-Politikerin, die 1994 selbst einmal für das Bundepräsidentenamt kandidiert hatte, "ein Signal an alle Abgeordneten des Landtags geben, die in ihrem Herzen auch Joachim Gauck für den geeigneten Kandidaten halten, dies aber bisher öffentlich nicht zu sagen wagen".

Allerdings gibt es mittlerweile durchaus zahlreiche FDP-Politiker, die aus ihrer Bevorzugung von Gauck keinen Hehl machen: Am weitesten ging bisher die Fraktion in der Bremer Bürgerschaft: Sie will zusammen mit SPD und Grünen ein "Bremer Bündnis für die Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten" bilden, das dem Bundesland nicht nur einen zusätzlichen Sitz in der Bundesversammlung bringt, sondern der CDU auch einen Platz abnimmt. Um sich diesen Platz zurückzuholen, müsste die Bremer Union ein ähnliches Bündnis mit der Linkspartei und einem Ex-DVU-Abgeordneten schmieden. Das gilt als unwahrscheinlich, weshalb am 30. Juni wohl vier der nun insgesamt fünf Bremer Delegierten gegen Christian Wulff votieren werden.

In Sachsen gab der Landesverband der FDP am Freitag bekannt, dass er seinen voraussichtlich drei Delegierten keine Wahlempfehlung für Wulff mit auf den Weg geben wird. Grund dafür ist, dass sich in Sitzungen des Landesvorstands und des Landesparteirats jeweils klare Mehrheiten für Joachim Gauck aussprachen. In Thüringen steht die Entscheidung, ob man den Delegierten Wulf ans Herz legt, noch aus – aber auch dort meinte FDP-Fraktionschef Uwe Barth öffentlich, dass er "große Sympathien" für Gauck hege.

Insgesamt verfügen Union und FDP über 644 bis 646 Delegiertenplätze in der Bundesversammlung. Die absolute Mehrheit liegt bei 623 Stimmen, weshalb sich insgesamt 22 bis 24 Abweichler finden müssten, damit Joachim Gauck im dritten Wahlgang eine Chance hat, mit relativer Mehrheit zu gewinnen.