… und schon rufen die Geld-Junkies nach neuen Geldspritzen
Die Europäische Zentralbank hat noch nicht mit dem Ankaufprogramm begonnen, da wird schon der Ruf laut, die Notenpresse noch stärker in Gang zu setzen
Bundesbank-Chef und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann hatte einst noch erklärt, die Geldpolitik der Notenbank könne "süchtig machen wie eine Droge". Tatsächlich hat die EZB in der letzten Zeit eine Geldspritze nach der anderen geliefert und die Geldschwemme ein ums andere Mal ausgeweitet. Auf jede Spritze haben die Junkies entsprechend euphorisch reagiert, wie gestern erneut auf den Einstieg ins massive Gelddrucken.
Nachdem EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag angekündigt hatte, dass für 1,14 Billionen Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere aufgekauft und damit die Notenpressen massiv in Gang gesetzt werden, stürzte wie erwartet der Euro auf ein neues Rekordtief und schossen die Börsen in die Höhe. Und dieser Höhenflug hält heute an.
Doch schon jetzt werden Stimmen laut, die nach der nächsten Spritze rufen. Darunter befindet sich zum Beispiel die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Während Experten ohnehin daran zweifeln, dass über diese Maßnahme die Wirtschaft angekurbelt werden kann, meint Christine Lagarde, dass man es zwar mit einem "Fortschritt" zu tun habe, unter anderem, weil die Märkte durch eine noch höhere Ankaufsumme "überrascht" worden seien. Spekuliert worden war damit, dass Banken Papiere im Wert von 50 Milliarden Euro im Monat abgekauft werden sollen, womit die Risiken noch stärker auf die Steuerzahler verlagert werden.
Nun will die EZB sogar 60 Milliarden Euro im Monat ausgeben. 80% Prozent der Anleihen sollen die jeweiligen staatlichen Notenbanken kaufen, nur rund 20% kauft die EZB. Damit soll angeblich die gemeinsame Haftung im Fall zum Beispiel einer Staatspleite auf diesen Umfang beschränkt werden. Doch diese Abgrenzung funktioniert so nicht. Schließlich kämen im Krisenfall wieder die diversen Rettungsmechanismen zum Einsatz. Experten meinen deshalb, es handele sich nur um eine technische Feinheit, die im Ernstfall praktisch keine Bedeutung haben werde.
Und Lagarde ist das alles längst noch nicht genug. Im französischen Sender France 2 erklärte sie: "Ich glaube nicht, dass das ausreicht, um die Aktivität in Europa anzukurbeln und das Wachstum zu stärken." Damit fordert sie neben Strukturreformen noch stärkere Geldspritzen und neue Überraschungen für die Märkte. Das ist die übliche Logik, dass letztlich die Maßnahmen, die unter Führung des IWF angewendet werden, noch nicht stark zur Anwendung kamen, um wirklich wirksam zu sein.
Nur bisweilen ist auch beim IWF zu hören, dass vielleicht an den Maßnahmen an sich etwas faul sein könnte. Im Fall Griechenland wurde sogar öffentlich eingeräumt, dass man sich völlig verschätzt hat und das Land mit den Strukturprogrammen nur in die Depression gestürzt wurde. Am Kurs des IWF allgemein hat das aber nichts geändert, weshalb nun auch Lagarde die Reformvorhaben des französischen Wirtschaftsministers Emmanuel Macron lobt, der auch auf Privatisierungen setzt.
"Draghi muss nachlegen"
Während in Deutschland weiter sehr skeptisch die Politik der Nullzinsen und der Geldschwemme gesehen wird, fordert auch Adam Posen: "Draghi muss nachlegen." Der Leiter des Peterson Institute for International Economics in Washington ist ein Anhänger dieser Geldpolitik, die er auch als Mitglied im geldpolitischen Ausschuss der britischen Notenbank mit eingeleitet hat. Auch er argumentiert damit, dass die EZB für eine Inflationsrate von 2% sorgen soll. Er sagt aber nicht, dass es nicht ihre Aufgabe ist, Konjunkturpolitik zu machen. Dafür wurde aber das Pulver verschossen, das die Notenbank eigentlich hat, um gegen Deflationstendenzen anzugehen. Und letztlich steht auch Wirtschaftspolitik wieder im Zentrum der Argumentation für das Aufkaufprogramm.
Für Posen ist das Programm "definitiv die richtige Entscheidung", denn die EZB habe handeln müssen. Nun 1,14 Billionen Euro zu drucken, ist für ihn aber nur "ein hilfreicher Anfang". Er will die Geldpresse unbegrenzt auf Hochtouren laufen sehen, wie es Draghi auch schon angedroht hat. "Es ist aber nicht sinnvoll, Umfang und Zeitraum der Anleihekäufe einzuschränken. Die EZB muss nachlegen." Sie müsse so lange Anleihen kaufen, bis die Inflation wieder bei ungefähr 2% liegt.
Er argumentiert dabei auch mit Japan. Doch in mehr als anderthalb Jahrzehnten, in denen dort massiv Geld gedruckt wurde, ist weder das erwartete Wachstum geschaffen worden, noch bekam man die Deflation definitiv in den Griff. Nur kurz profitierte Japans Wirtschaft davon, dass die Währung über die Geldschwemme in den letzten Jahren nach unten geprügelt wurde. Doch das Land ist längst zurück in die Rezession gerutscht.
Erstaunlich ist die Position von Weidmann. Wie aus dem EZB-Rat zu hören war, habe er ebenso wie das EZB- Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger gegen das Ankaufprogramm gestimmt, Kollegen aus den Niederlanden, Österreich und Estland sollen auch dagegen gewesen sein, nun damit zu beginnen. Doch Weidmann hat – wie Lautenschläger – anerkannt, dass es sich um ein legitimes Werkzeug der EZB handelt. Damit stellt er sich in Widerspruch zu früheren Aussagen. Einst hatte er auch vor dem Bundesverfassungsgericht erklärt: "Egal, ob es um Zinsen geht oder um irgendwelche Sondermaßnahmen - am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Notenbank für Ziele der Fiskalpolitik eingespannt werden soll."
Bevor er weitgehend auf den Draghi-Kurs eingeschwenkt ist, sprach er noch davon, dass die EZB mit derlei Maßnahmen ihr Mandat überschreite und mit Ankaufprogrammen die Grenze zur verbotenen Staatsfinanzierung überschritten werde. Gegenüber der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe) sagte er nun: "Der Ankauf von Staatsanleihen ist in der Währungsunion kein Instrument wie jedes andere." Es berge Risiken, weil die Notenbanken faktisch zu den größten Gläubigern der Mitgliedsstaaten würden, womit ein "solides Haushalten vernachlässigt" werde: "Und es könnte der politische Druck auf uns steigen, die Zinslast der Finanzminister dauerhaft niedrig zu halten."
Dabei ist längst klar, wie auch andere Experten erklären, dass Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal und auch das große Italien schnell in die Pleite abschmieren würden, wenn die EZB die Zinsen erhöht. Denn deren Schuldenlast liegt schon mit über 130% der jährlichen Haushaltsleistung unerträglich hoch. Dieser Druck besteht also längst.