Der Diamantenmarkt im Umbruch
Ein perfekter Sturm fegt derzeit über die weltweiten Diamantenmärkte hinweg. Geht das Zeitalter der großen Diamantenminen zu Ende? Wer gewinnt, wer verliert?
Echte Diamanten werden mittlerweile teilweise für nur noch etwa ein Prozent ihres einstmaligen Marktwertes gehandelt. Ein Stein, der früher für 29.000 US-Dollar erzielte, ist mittlerweile manchmal für nur $350 zu haben – Garantie und Zertifikat inbegriffen. Selbst Luxus-Porzellan kann mittlerweile kostspieliger sein.
So mancher Marktteilnehmer ist auch schon ausgestiegen.
Capital führte den drastischen Preisverfall bereits letztes Jahr vor allem auf die wachsende Verfügbarkeit von im Labor hergestellten Diamanten (Lab-Grown Diamonds, LGDs) zurück. Diese kommen vorzugsweise aus Indien auf den Markt.
Der Preisdruck begünstigt die Hersteller künstlicher Steine
Die Unternehmen, die die künstlichen Steine herstellen, profitieren vom Preisdruck und finden immer mehr Abnehmer – auch in der Industrie. Denn moderne Labor-Diamanten weisen die dieselbe Härte, Brillanz und Reinheit wie natürlichen gewachsene Steine. Sie sind nicht nur von hoher Qualität, sondern meist lupenrein und damit sogar qualitativ besser als viele natürliche Diamanten.
Es wird erwartet, dass die Preise für Labor-Diamanten weiter sinken und ihre konsistente Qualität macht sie für industrielle Anwendungen wie Bohren und Schleifen, in Präzisionswerkzeugen bis hin zu Elektronikkomponenten attraktiv. Allerdings machen industrielle Anwendungen derzeit keine fünf Prozent des Welt-Diamantenmarktes aus.
Wie viel Unruhe am Markt ist, zeigt sich auch daran, dass die Angaben zu den Umsätzen wild variieren: Während Fortune den weltweiten Umsatz mit den Steinen für 2024 auf rund 97 Mrd. US-Dollar schätzt, kommen andere Marktbeobachter lediglich auf 41,5 Mrd. US-Dollar.
Auch ethische Erwägungen spielen eine Rolle
Wer heute Diamanten kauft, ist oft sensibilisiert für die ethischen und ökologischen Konsequenzen dieses Luxusartikels. Das gilt insbesondere die kaufkräftige Generation Z in den westlich geprägten Industrieländern. Spätestens seit dem Film "Blood Diamonds" mit Leonardo di Caprio sind sich viele Menschen im Westen der Probleme bewusst, die der Abbau von Diamanten mit sich bringt.
Labordiamanten werden deshalb eigens mit einem Lasersiegel versehen, um die nötige Transparenz für diese ethisch akzeptable Alternative zu bieten. Der aktuelle Marktanteil für Labordiamanten wird auf über 17,5 Mrd. US-Dollar beziffert.
Die Gewinner
Wichtigster Gewinner dieser Entwicklung ist vielleicht die Umwelt. Denn der Herstellungsprozess von synthetischen Diamanten ist deutlich umweltfreundlicher als der traditionelle Diamantenabbau in großen Minen. Moderne Produktionsmethoden ermöglichen es, die Steine mittels hoher Temperaturen und Drücke innerhalb weniger Wochen zu erzeugen.
Die Eröffnung neuer Diamantenminen wird angesichts der niedrigen Preise und der erheblichen Investitionen immer unwahrscheinlicher.
Wirtschaftlich gesehen gibt es kaum Gewinner in dieser Situation. Einzig Indien scheint sich in diesem Marktabschwung in einer relativ starken Position zu befinden. Als weltweit größtes Zentrum der Diamantenverarbeitung könnte Indien profitieren, wenn es seiner Schleif- und Polierindustrie gelingt, die niedrigeren Preise für höhere Margen zu nutzen.
Die Verlierer
Als Verlierer müssen alle Länder angesehen werden, die Rohdiamanten produzieren. Dazu gehört vor allem Südafrika und hier insbesondere der De-Beers. Die Baisse trifft auch den britischen Bergbaukonzern Anglo American, der bislang 85 Prozent von De Beers hält, diese Anteile aber gerne abstoßen würde.
Aber auch kleine, bitterarme afrikanische Staaten wie Sierra Leone, Liberia werden wahrscheinlich schwer getroffen – auch wenn hier noch keine Berichte vorliegen. Aus Botswana wird hingegen ein 50-prozentiger Umsatzeinbruch des wichtigsten Diamantenexporteurs gemeldet - ein De Beers Tochterunternehmen.
Dennoch wird Afrika mit einem Anteil von 51 Prozent am Gewicht und 66 Prozent am globalen Umsatz auf absehbare Zeit führender Produzent der besonders harten Kohlenstoff-Minerale bleiben.
Russland, Israel und Antwerpen
Auch Russland, das als Weltmarktführer bei der Diamantenproduktion etwa ein Drittel des globalen Rohdiamantenbedarfs deckt, wird Einbußen hinnehmen müssen. Verschärft wird die Lage für die russischen Produzenten durch allfällige Sanktionen des Westens, die anderseits aber auch regulatorische Hürden für afrikanische Hersteller nach sich ziehen.
Leidtragender der aktuellen Entwicklung ist auch der Handel, der vor allem in Israel und Antwerpen angesiedelt ist. Aus der israelischen Diamantenbörse sind dieses Jahr erstmals mehr Händler aus- als eingetreten. Und in der belgischen Metropole sind die Umsätze mit den ehemals unbezahlbaren Klunkern um 38 Prozent gesunken.