Homeoffice und Diversity: Deutsche Unternehmen zwischen Fortschritt und Stillstand

Deutsche Firmen stehen vor einem Dilemma. Während viele das Homeoffice fördern, lehnen andere es strikt ab. Was Manager besonders beunruhigt: Der Kampf um Talente.
Entscheidungen einer neuen Bundesregierung forderten Unternehmenslobbyisten bereits vor der Bundestagswahl. "Wir brauchen rasch eine handlungsfähige Regierung", erklärte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dabei zeigt sich gerade jetzt, wie wenig entscheidungsfreudig Firmenleitungen sind.
Unklar ist die Zielrichtung, etwa beim Homeoffice. Während Betriebe bei offenen Stellen mit dem mobilen Arbeiten werben, lehnt Jamie Dimon, der Vorstand von J.P. Morgan dies ab:
Ich rufe freitags eine Menge Leute an, und nicht eine verdammte Person ist zu erreichen.
Jamie Dimon
Auch Besprechungen per Zoom bemängelt er: "Unaufmerksam, unvorbereitet. Wenn ihr nicht glaubt, dass das die Effizienz und die Kreativität verschlechtert und stattdessen für Unfreundlichkeit sorgt – das tut es", wirft der Bankenchef seinen Angestellten vor.
Andere Manager fördern das Arbeiten daheim und wollen mit Desk-Sharing Kosten senken. Vor Arbeitsbeginn im Betrieb oder zu Hause online suchen die Arbeitenden einen Platz – sollte keiner mehr vorhanden sein, soll im Homeoffice gearbeitet werden.
Das Einsparpotenzial ist aus Sicht der Unternehmen groß. Mietverträge werden gekündigt, Neubaukonzepte infrage gestellt. Das Problem für manche Unternehmen: Bei Einstellungsgesprächen bestehen einige Bewerber entschlossen auf der Option zum Homeoffice. Ein striktes Ablehnen ist deshalb nicht für jeden Manager sinnvoll.
Diversity Management durch Trump infrage gestellt
Ein weiterer interner Streitpunkt der Manager betrifft den Fachkräftemangel. Diversity Management kann eine hilfreiche Gegenmaßnahme sein. Ziel dieses "Managements der Vielfalt" ist es, diskriminierende Strukturen im Unternehmen abzubauen und Vielfalt zu fördern. Das kann Arbeitsplätze für Frauen betreffen, den Einbezug junger Menschen verbessern oder die Arbeit von Menschen mit Migrationshintergrund zum Normalzustand machen.
Vorteile ergeben sich für die Belegschaft und das Unternehmen. Denn es zeigt sich: Eine vielfältige Belegschaft führt zu mehr Motivation, ist gut für die Unternehmenskultur und kann Teil einer Strategie gegen Fachkräftemangel sein. Dies erfordert in der Praxis ein planvolles Vorgehen.
Für die einen Unternehmen mag es nämlich ein ziemlicher Kraftakt gewesen sein, sich zu LGBT-Diversity klar zu positionieren und die CSD-Fahnen vor die – möglicherweise sehr konservativen – Werkstore zu hängen. Für andere ist das eher ein geringfügiger Erfolg, stattdessen mangelt es ihnen weiterhin an Transparenz bei Beförderungsentscheidungen, was die geringe Anzahl an Frauen in Führungspositionen erklärt.
Eva Voss, Diversity-Expertin BNP Paribas
Die Politik Donald Trumps sorgt hierzulande für Unsicherheit. In US-Unternehmen werden gerade auf breiter Front Diversitäts-Programme zurückgefahren. Meta beendet seine Maßnahmen für Chancengleichheit. Auch gebe es hierzulande Manager, die "Diversity-Programme pauschal in Abrede zu stellen. Das ist aber ganz klar die Minderheit und keineswegs repräsentativ für den Umgang mit Vielfalt insgesamt in Deutschland", analysiert Eva Voss.
Auf der Hauptversammlung des Apple-Konzerns wurde die Forderung abgelehnt, solche Diversity-Aktivitäten aufzugeben.
Voss warnt, dass der demografische Wandel in vielen Firmen bereits real sei:
[Viele Unternehmensleiter] wissen sehr wohl, dass eine Abkehr von den Anstrengungen, vielfältige Talentgruppen anzusprechen, den eigenen Geschäftsbetrieb grundlegend gefährden dürfte. Dabei ist es im Grunde unerheblich, ob dies aus der innersten Überzeugung geschieht, Vielfalt als etwas Positives und Schätzenswertes wahrzunehmen, oder schlicht der Notwendigkeit geschuldet ist, Stellen besetzen zu müssen, um Handwerksaufträge annehmen zu können oder den Klinikbetrieb am Laufen zu halten.
Eva Voss
Gender-Pay-Gap: Große Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen
Wie gravierend Ungleichheit am Arbeitsplatz ist, zeigen Lohnvergleiche. Frauen verdienten hierzulande 16 Prozent weniger als Männer, sagen die Zahlen des Gender-Pay-Gap für 2024. Es ist der vierthöchste Gender-Pay-Gap der EU. Bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie lag der Unterschied bei sechs Prozent.
Auch bei der Weiterbildung im Berufsleben gibt es Unterschiede.
Frauen werden seltener finanziell durch den Arbeitgeber unterstützt als Männer und erhalten häufiger Weiterbildungen im Rahmen einiger Stunden, während sich Männer mehrere Tage weiterbilden können. Außerdem nehmen Frauen häufiger durch Eigeninitiative an betrieblichen Weiterbildungen teil, Männer eher auf den Vorschlag von Vorgesetzten hin".
Sarah Yolanda Koss
So stärke Weiterbildung eher Männer in der beruflichen Laufbahn. Dabei zeigen Mütter besonders viel Eigeninitiative, entgegen allgemeiner Annahmen: "Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Mütter nehmen ihre berufliche Weiterentwicklung besonders häufig selbst in die Hand", sagt Yvonne Lott von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.
"Die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland ist für die Sicherung des Fachkräftebedarfs von wachsender Bedeutung", betont Melanie Rößler, Redakteurin beim Personalmagazin. Trotzdem rekrutieren nur sechs Prozent der Betriebe aktiv Fachkräfte im Ausland.
Während 58 Prozent der Betriebe dies nicht tun, weil sie keine Fachkräfte benötigen, nutzen 36 Prozent diese Möglichkeit nicht, obwohl sie Fachkräfte benötigen.
Melanie Rößler
"Altersdiverse Teams" fordert INQA:
Wer den demografischen Wandel und Bedarf an Fachkräften in Einklang bringen möchte, sollte die Generation 50plus mit ihrem großen Erfahrungsschatz noch stärker ins Auge fassen.
INQA ist die "Initiative Neue Qualität der Arbeit", die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufen wurde. Junge und Ältere zusammenarbeiten lassen, fördert den Wissenstransfer. "Alternsgerechte Personalentwicklung sorgt dafür, dass der Erfahrungsschatz und die Bedürfnisse der älteren Beschäftigten berücksichtigt werden", so INQUA.