Afrikanischer Klimaschutz

EU CO2- Veränderungen 2014. Bild: Eurostat

Die Energie- und Klimawochenschau: Von zurückgehenden Emissionen, Gabriels Scheitern, hochfliegenden Energiedrachen und Äthiopiens klimafreundlicher Entwicklung

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Zur Abwechslung mal eine gute Nachricht in Sachen Klimaschutz: In der Europäischen Union sind die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) im vergangenen Jahr um immerhin fünf Prozent zurückgegangen.

Das geht aus einem Bericht der EU-Statistikbehörde hervor. Bei den Angaben handelt es sich allerdings nur um eine vorläufige Schätzung, die auf den monatlichen Energiestatistiken beruht.

Entsprechend betreffen sie nicht alle Treibhausgase, sondern nur das CO2, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger freigesetzt wird. In Deutschland sind das rund 80 Prozent der Treibhausgase, wenn man diese nach ihrer Klimawirksamkeit gewichtet und in sogenannten CO2-Äquivalenten ausdrückt. Die Emissionsdaten für alle EU-Staaten und Treibhausgase bis 2012 finden sich hier.

Am stärksten war der prozentuale Rückgang in der Slowakei mit -14,1 Prozent und in Dänemark mit -10,7 Prozent. Dort hatte die Windenergie im vergangenen Jahr einen Anteil von 39,1 Prozent an der Stromversorgung. In Deutschland fiel der Rückgang mit -3,1 Prozent nur sehr moderat aus.

In den Niederlanden betrug der Rückgang hingegen -6,9 Prozent, schreibt die englischsprachige Zeitung NL Times.

Allerdings importiert das Nachbarland dank der Liberalisierung des Strommarktes größere Mengen Strom aus den RWE-Braunkohlekraftwerken im Rheinland. Ein gutes Beispiel dafür, dass die Marktkräfte keineswegs immer sinnvolle Ergebnisse zeigen.

Bevor der grenzüberschreitende Stromhandel so stark ausgedehnt wurde haben sich die Niederlande weitgehend selbst mit Strom versorgt und zwar unter anderem aus Gaskraftwerken, die nun durch die billige Braunkohle verdrängt wurden. RWE selbst hatte einige von ihnen im Rahmen seiner Expansion ins Nachbarland aufgekauft und inzwischen stillgelegt.

Ohnehin bleibt abzuwarten, ob der letztjährige Rückgang der Emissionen in der EU nachhaltig war. Schwankungen um ein paar Prozente nach oben und unten sind in Europa normal und werden unter anderem von der Witterung und deren Einfluss auf den Bedarf an Heizenergie beeinflusst.

In den Niederlanden, so schreibt das Blatt, sind die Emissionen im ersten Quartal nach Angaben der dortigen Statistiker bereits wieder kräftig nach oben geschnellt. Schuld waren niedrigeren Wintertemperaturen auch verstärkte wirtschaftliche Aktivitäten.

Gabriel kann sich nicht durchsetzen

Um die Emissionen wirklich nachhaltig zu reduzieren, müssten Kohlekraftwerke außer Dienst gestellt werden, was hierzulande ohne weiteres möglich wäre.

Schließlich hat Deutschland in den letzten Jahren allein die Produktion von rund sieben unter annähernder Volllast arbeitender Kohlekraftwerke exportiert. 2013 betrug der Netto-Stromexport rund 30 und 2014 rund 32 Milliarden Kilowattstunden.

In diesem Jahr waren es bisher schon 23,2 Milliarden Kilowattstunden. Und wie das Beispiel Niederlande zeigt, geht es dabei meist nicht darum, dass der Bedarf im Inland nicht gedeckt werden konnte. Vielmehr verdrängen deutsche Kohlekraftwerke Konkurrenten auf den jeweiligen Märkten.

Das könnte mit verschiedenen Mitteln verhindert werden, wenn denn der politische Wille zu einem bisschen mehr Klimaschutz bestünde. Zum Beispiel hätten die CO2-Zertifikate verteuert werden können, die die Kraftwerksbetreiber vorweisen müssen.

Das hätte ihren Konkurrenzvorteil vermindert, doch die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass das entsprechende europäische Emissionshandelssystem erst ab 2019 reformiert wird. Ob die Veränderungen wenigstens dann wirksam sein werden, bleibt abzuwarten.

Eine andere Möglichkeit wäre eine besondere CO2-Abgabe für die alten und überdurchschnittlich ineffizienten Kohlekraftwerke, wie sie im Bundeswirtschaftsministerium ersonnen wurde. Doch um diese ist es schlecht bestellt.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) kann sich mit der Idee seines Hauses nicht recht in der Koalition durchsetzen. Die Abgabe stehe vor dem Scheitern, berichtete letzte Woche das Handelsblatt. Aus der Union und aus einigen SPD-regierten Bundesländern komme zu viel Widerstand.

Wie üblich schweigt Bundeskanzlerin Merkel (CDU) zur wichtigen Auseinandersetzung und sieht zu, wie sich Parteifreunde und Koalitionspartner gegenseitig in der Öffentlichkeit demontieren. Über allem thronend lässt sie sich derweil von den Medien weiter als Klimakanzlerin feiern. Rautenpolitik eben.

Energiedrachen

Bei Windkraftanlagen denkt man gewöhnlich an hohe Türme, auf denen sich dreiblättrige Rotoren drehen. Vielleicht auch an hektische Kleinanlagen, wie diese in Berlin oder diese hier auf Helgoland.

Es gibt allerdings noch ganz andere Wege, die im Wind steckende Bewegungsenergie in elektrischen Strom umzuwandeln.

An der Technischen Universität im niederländischen Delft forscht man seit einigen Jahren an der Nutzung von Lenkdrachen. Allerdings ist die Delfter Gruppe nicht die einzige, die derlei Ideen verfolgt.

Seit dem gestrigen Montag trifft sich an der Delfter TU eine Fachkonferenz mit rund 100 Teilnehmern, wie die Zeitschrift Erneuerbare Energien berichtet.

Die Vorzüge der sogenannten Höhenwindenergieanlagen bestehen in ihrer hohen Flexibilität - wenn sie nicht gerade schienengebunden sind, wie es das deutsche Start up NTS plant -, dem wesentlich geringeren Materialaufwand und in der Tatsache, dass mit ihnen der Wind in Höhen über 200 Meter genutzt werden kann.

Dort weht er beständiger und kräftiger als in Bodennähe. Neben Lenkdrachen, wie ihn die Delfter und in anderer Form auch die deutsche Enerkite GmbH verwenden, gibt es auch statische Flügel, an denen Rotoren mit Generatoren befestigt sind, wie sie die Google gehörende Firma Markani entwickelt hat.

Der Bundesverband Höhenwindenergie spricht von 30 Unternehmen, die vor allem in Westeuropa und Nordamerika an diversen Projekten arbeiten.

Marktreif ist noch keines der Konzepte. Eines der Probleme ist die Automatisierung des Betriebs. Sollten diese einmal behoben sein, dann könnten entsprechende Anlagen vermutlich - industrielle Massenfertigung vorausgesetzt - Strom mit Gestehungskosten unter fünf Cent pro Kilowattstunde liefern.

So hoffen es jedenfalls die Gründer von NTS. Enerkite spricht davon, "automatisierte Flugwindkraftanlagen", schaffen zu wollen, "die den stetigen Wind oberhalb der Blattspitzen heutiger Windräder nutzen und mit 90% weniger Material den doppelten Energieertrag bei halbierten Stromgestehungskosten liefern."

Weniger Bürokratie

Eine Sorge werden etwaige Nutzer des Höhenwinds in Zukunft auf jeden Fall nicht haben: Sie müssen weder Zuwege zu ihren Anlagen bauen, noch aufwendige Schwerlasttransporte durchführen. Sie fahren ihre mobilen Anlagen einfach an geeignete Plätze.

Für moderne Windkraftanlagen sind hingegen zahlreiche Spezialtransporte notwendig und die Turmhöhe stößt inzwischen an ihre Grenzen, weil der Durchmesser der Segmente von den üblichen Höhen der Autobahnbrücken limitiert wird.

Abhilfe könnten hier bestenfalls modulare Systeme wie die Holztürme der Firma Timbertower bieten.

Doch die machen gerade erste vorsichtige Schritte am Markt und selbst ein Holzturm wird nicht ohne die entsprechenden komplizierten Transport langer Rotorblätter und schwerer Generatoren und Gondeln auskommen. Diese würde der Bundesverband Windenergie gerne vereinfachen.

In einer am Montag versandten Pressemitteilung weist der Verband auf den erheblichen bürokratischen und technischen Aufwand hin, die die derzeit rund 35.000 Spezialtransporte erfordern.

Er wünscht sich, das künftig nicht nur die Polizei, sondern auch private Unternehmen die Transporte absichern können, die Einzel- durch Sammelgenehmigungen ersetzt und die Verfahren und Vorschriften über die Ländergrenzen hinweg vereinheitlicht werden.

Vorbild Äthiopien

Im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz reichen die Staaten nach und nach Selbstverpflichtungen ein, in dem sie ihre nationalen Klimaschutzziele beschreiben, die sie im nächsten Jahrzehnt erreichen wollen.

Noch geht es schleppend voran, aber immerhin ein rundes Fünftel hat bereits seine Unterlagen im Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention in Bonn eingereicht.

Die jüngste Erklärung kommt von Äthiopien. Das Land verpflichtet sich, seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 auf 145 Millionen Tonnen zu beschränken. Das wären zwar nur fünf Millionen Tonnen weniger, als derzeit emittiert werden, aber gegenüber einem "Weiter-so" ein enormer Fortschritt.

Würde das Land hingegen ohne irgendwelche Klimaschutzmaßnahmen seine Wirtschaft weiter wie bisher entwickeln und sich technologisch ein Beispiel an den Industriestaaten nehmen, so würden dort 2030 bereits 400 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Luft geblasen.

Geplant ist also eine relative Minderung von 64 Prozent. (Zum Vergleich: Umgerechnet auf die Bevölkerung betrugen die Emissionen in Äthiopien 2010 1,7 und in Deutschland 11,6 Tonnen pro Kopf und Jahr.)

Äthiopien. Bild: Steve Evans/ CC BY 2.0

Das Land am Horn von Afrika hat derzeit etwas mehr als 94 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung wuchs in den vergangenen beiden Jahrzehnten jährlich um durchschnittliche 2,9 Prozent, für den Zeitraum 2012 bis 2030 geht der Fischer Weltalmanach von einer durchschnittlichen Rate von 2,3 Prozent aus.

Die Wirtschaft wächst noch schneller. In den letzten Jahren lag die Zunahme meist zwischen sieben und über zehn Prozent. Das Land scheint sich also langsam aus der Armut heraus zu arbeiten, hat aber sicherlich noch einen weiten Weg zu gehen.

Laut Fischer Weltalmanach lag das Bruttonationaleinkommen 2013 bei 470 US-Dollar pro Kopf. 2003 waren es erst 90 US-Dollar pro Kopf und Jahr. (Zum Vergleich: 2013 waren es in Bulgarien 7030 US-Dollar, in China 6560 und in Deutschland 46100 US-Dollar pro Kopf.)

Die äthiopische Selbstverpflichtung steht unter dem Vorbehalt, dass im November auf der UN-Klimakonferenz in Paris ein "ehrgeiziger multilateraler Vertrag abgeschlossen wird, der es Äthiopien ermöglicht internationale Unterstützung zu bekommen und Investitionen anregt".

Die Eindämmung der Emissionen soll auf vier Pfeilern ruhen: Modernisierung der Landwirtschaft, Schutz der Wälder, Erzeugung von Strom mittels erneuerbarer Energieträger und der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Städte mit moderner, energieeffizienter Technologie.

Unter anderem wird dieser Tage in Addis Abeba eine elektrische Stadtbahn eingeweiht. Auch das Eisenbahnnetz soll ausgebaut werden. Am Oberlauf des Blauen Nils ist des Weiteren ein - umstrittener - Staudamm im Bau, der sechs Gigawatt Leistung haben wird.

Das entspricht etwa sieben modernen Kohlekraftwerken von der Größe, wie sie zuletzt hierzulande gebaut wurden. Das Land hat außerdem bereits eine Reihe von Windparks.

Sollte Äthiopien Erfolg haben und seine Treibhausgasemissionen tatsächlich wie oben beschrieben im Zaune halten können, dann würde es alle Bemühungen Deutschlands, wo man sich immer noch als Vorreiter sieht, weit hinter sich lassen.

Die äthiopischen Emissionen (CO2 und andere Treibhausgase) würden bei 1,2 Tonnen pro Kopf und Jahr liegen, wenn die Bevölkerung auf dann vermutlich 126 Millionen Menschen und der Wohlstand auf das Niveau der ärmeren EU-Mitglieder anwächst.

In Deutschland lägen sie 2030 hingegen - konstante Bevölkerung, das Ausbleiben des großen Euro-Crashs und das Erreichen der von der Bundesregierung formulierten Ziele vorausgesetzt - immer noch bei 6,7 bis 7 Tonnen pro Kopf und Jahr.