11,7 Milliarden Euro für noch nix: Berliner Schulbau als Luftbuchung

Leeres Klassenzimmer in Berliner Schule

Ein leeres Klassenzimmer – stille Zeugen der Herausforderungen im Berliner Schulbau.

(Bild: 潜辉 韦, Pixabay)

120 neue Lehranstalten für die Hauptstadt. Bezirke liefern rasch und günstig, landeseigene Wohnungsgesellschaft bummelt und verpulvert Geld ohne Ende.

Wo gerade so viel von Schattenhaushalten die Rede ist. Das Land Berlin hat auch einen und in puncto Skandalpotenzial stellt der das höchstrichterlich beanstandete Finanzgebaren der Ampelregierung noch in den Schatten. Wobei es in diesem Fall nicht um Wärmepumpen oder Energiepreisbremsen geht, sondern um den Bau von Schulen, was an sich ja nicht schlecht ist – aber extrem schlecht gemacht.

2016 entwarf der damals noch rot-rot-grüne Senat den Plan, dem riesigen Mangel an Schulplätzen in der Hauptstadt mit der großangelegten "Berliner Schulbauoffensive" (BSO) zu begegnen. Dafür brachten sich vier Akteure in Stellung: die Landesbauverwaltung, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die zwölf Bezirke und die Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Gemeinsam wollten sie 120 Bauvorhaben stemmen, das meiste davon Neubauten, der Rest Sanierungen. Kosten sollte das Ganze 5,5 Milliarden Euro und fertig sein 2026.

An der Schuldenbremse vorbei

Eine Milliarde Euro waren für die Howoge eingeplant, ein städtisches Unternehmen zwar, aber als privatrechtliche GmbH aufgestellt. Dieser wurden insgesamt 40 Projekte zugeschlagen. Der Clou dabei: Anders als das Land und die Bezirke muss die nicht auf die Schuldenbremse achten, die 2020 auf Landesebene in Kraft trat. Die Howoge besorgt sich die ausgelobte Milliarde vorbei am Landeshaushalt einfach auf dem freien Kapitalmarkt, das Land begleicht die Rechnung schrittweise, es wird schnell und eifrig gebaut und alles ist prima.

Von wegen: Am Donnerstag präsentierte der Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand" (GiB) bei einer Onlinepressekonferenz die Quittung für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Statt einer Milliarde Euro wird die Howoge voraussichtlich zwölfmal so viel verpulvern – womöglich auch mehr. Die Zahl stammt vom Senat, der inzwischen die Farben auf schwarz-rot gewechselt hat. Wie die Finanzverwaltung auf eine Anfrage der Links- und Grünen-Fraktion mitteilte, ergebe sich ein "Bedarf an Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von circa 11,7 Milliarden Euro".

Das hatte sich abgezeichnet: 2020 beanspruchte die Howoge bereits 1,5 Milliarden Euro, 2022 waren es 2,6 Milliarden Euro, die sich vor knapp drei Monaten zu einem Kreditrahmen von 5,6 Milliarden Euro mehr als verdoppelten. Diese Hausnummer hatte Anfang September die Bildungsverwaltung ins Spiel gebracht. Damit sollten "trotz" der Preissteigerungen am Bau, bei Material und Energie die vorgesehenen Maßnahmen "zügig" umgesetzt werden, erklärte Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Mit Blick auf die Zielstellung, 26.000 Schulplätze durch Neubau und Sanierung zu realisieren, bestehe nun "Planungssicherheit".

Ach ja, die Zinsen

Allerdings sind bei der Kalkulation ein paar Pöstchen durchgerutscht: die Grunderwerbssteuer, Notar- und Versicherungskosten, eine Managementgebühr für die Howoge. Und dazu die Belastungen durch Zinsen und Tilgung der Kredite, die allein mit rund sechs Milliarden Euro zu Buche schlagen. Wobei der Zinssatz von vier Prozent nur "unterstellt" ist. "Es können auch sechs oder sieben Prozent werden", bemerkte GiB-Sprecher Carl Waßmuth und weiter: "Wir haben es hier mit Ausgabensteigerungen zu tun, die noch über die Dimensionen des Hauptstadtflughafens BER und Stuttgart 21 hinausgehen – und zwar deutlich."

Das schwant inzwischen auch anderen: "Offenbar herrscht inzwischen das Motto: Geld spielt keine Rolle, auch wenn das niemand ausspricht", zitierte am Mittwoch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) Michael Mackenrodt von der Berliner Architektenkammer. "Letztendlich ist es ein Komplettversagen, vor allem in der Verwaltung", aber niemand sei bereit, "diesen Irrweg wieder zu korrigieren" oder bloß als solchen einzugestehen.

Der Vorwurf geht auch an die Linke sowie die Grünen, die die Konstruktion seinerzeit als tollste Errungenschaft und unter dem Label "öffentlich-öffentliche Partnerschaft" (ÖÖP) verkauft hatten. Waßmuth und seine Mitstreiter sehen dagegen ein "verstecktes Privatisierungsmodell" am Werk, an dem sich Banken, Baulöwen und Berater eine goldene Nase verdienten. Vordergründig seien dabei nur staatliche Akteure beteiligt, im Hintergrund mischten aber mächtige Profiteure mit, die sich schamlos aus der Staatskasse bedienten.

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