2.000 Euro Zuzahlung pro Jahr für Kassenpatienten?

Den Gesetzlichen Krankenkassen fehlt Geld. Lauterbach will eine Krankenhausreform, Wirtschaftswissenschaftler Raffelhüschen wirbt für eine höhere Selbstbeteiligung für Kassenpatienten.

Deutschland leistet sich den Luxus von knapp hundert Gesetzlichen Krankenkassen, die 90 Prozent der Einwohner versichern. Die Beiträge orientieren sich grundsätzlich am Verdienst. Für kleine Selbstständige wird jedoch ein fiktiver Mindestverdienst zugrunde gelegt, aus dem sich die Beitragshöhe errechnet.

Bei Vielverdienern liegt die Beitragsbemessungsgrenze derzeit bei einem monatlichen Einkommen von knapp 5.000. Bei einem höheren Einkommen ist der übersteigende Teil des Verdiensts beitragsfrei. Bei Empfängern staatlicher Transferleistungen wiederum wird nur ein reduzierter Beitragssatz entrichtet.

Medikamente

Dass die Einnahmen der Krankenkassen die Kosten nicht decken, wird alle Jahre neu auf den Debattentisch gebracht. Da helfen auch die berüchtigten geheimen Rabattverträge mit der Pharmaindustrie nicht wirklich weiter. Sie sorgen letztlich vielfach nur dafür, dass sich die Produktion von Medikamenten hierzulande nicht mehr lohnt und die Produktion in Fernost gebündelt wird.

Steigende Umweltstandards in Ostasien reduzierten die Kostenvorteile kleinerer Hersteller zugunsten monopolisierter Produktionsstandorte. Die Überlegungen, die Abhängigkeiten von China zu reduzieren, werden dafür sorgen, die Produktion in andere asiatische Länder zu verlagern (vgl. Medikamentenmisere: Das ganze System muss auf den Prüfstand).

Krankenhausreform

Zur Senkung der Kosten in der Gesundheitsversorgung wird auch immer wieder die Schließung von Krankenhäusern in Erwägung gezogen. Dazu zählen Häuser, die nicht auf ein bestimmtes Mindestmaß an spezifischen Eingriffen kommen.

Das trifft dann meist Krankenhäuser auf dem Land, die für Patienten kurze Anfahrtswege bieten. Eine schnelle Versorgung im Krankenhaus ist bei schweren innere Verletzungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten äußerst wichtig, können doch schon Minuten über die Rettung und Heilungschancen entscheiden.

Deshalb war lange die Strategie, möglichst viele Krankenhäuser über das Land verteilt zu betreiben. Anfahrtszeiten sollten für jeden so gering wie möglich sein. Doch was ist, wenn das nächstgelegene Krankenhaus nicht über adäquate Geräte verfügt, mit Personalmangel kämpft oder die Ärzte dort nur wenig Erfahrung haben?

Die von Gesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform soll jetzt dabei helfen, dass es nicht flächendeckend zu einem unkontrollierten Kliniksterben kommt. Daher wolle man die Überversorgung bei den Krankenhäusern jetzt abbauen und das ganze System entökonomisieren.

Schon im Jahre 2019 hatte die Bertelsmann Stiftung in einer Studie für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung durch Reduzierung der Zahl der Krankenhäuser geworben.

Eine deutliche Ausdünnung der Leistungen bei gleichzeitig ″maßvoller″ Erhöhung der Beitragssätze zahlt schon seit Jahren zu den Lösungsansätzen der Politik zur Rettung der Gesundheitsversorgung.

Selbstbeteiligung

In Bereichen wie der Zahnheilkunde sind die Kassenleistungen heute schon auf ein Minimum reduziert und fordern eine hohe Selbstbeteiligung der Patienten. Aus dem Umfeld der FDP kommt nun die Idee, die Selbstbeteiligung der Versicherungsnehmer deutlich zu erhöhen.

Der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen schlägt zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen daher vor, dass Patienten nach dem Arztbesuch künftig eine Rechnung erhalten und diese an die Krankenkasse weiterreichen, welche dann einen Großteil der Kosten übernimmt.

Damit müsste der Arzt das Risiko übernehmen, dass der Patient die Rechnung nicht begleicht. Für Ärzte wird dann eine regelmäßige Bonitätsprüfung der Patienten Voraussetzung, um nicht selbst in Schieflage zu geraten.

Für die Eigenbeteiligung der Patienten schlägt er mehrere Stufen vor, die insgesamt bei 1.500 oder 2.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden sollen. Gleichzeitig sei ein Sozialausgleich vorgesehen. Die dafür benötigten Zuschüsse für Geringverdiener müssten dann aus dem Bundeshaushalt kommen.

Für Patienten, die nicht in die Gunst staatlicher Zuschüsse kommen, wird es dann wohl private Zusatzversicherungen mit Gesundheitsprüfung geben. Ältere Patienten mit angeschlagener Gesundheit müssten dann damit rechnen, dass ihre medizinische Versorgung deutlich reduziert wird.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erteilte den Plänen von Raffelhüschen zuletzt eine klare Absage. Es ist allerdings nicht grundsätzlich auszuschließen, dass er in Zukunft feststellt, er habe sich dabei getäuscht. Eine schlechtere medizinische Versorgung der nicht mehr arbeitenden Bevölkerung böte durchaus gesellschaftliche Vorteile, könnten man böse anmerken.

2,1 Milliarden Euro Überschuss bei der Rentenversicherung

Die Aussage des früheren Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm, dass die umlagefinanzierte Rente sicher sei, wurde in der Folge immer wieder angezweifelt und dann für mehr oder weniger zweifelhafte zusätzliche Altersversorgungsprodukte geworben. Inzwischen zeigt sich bei der deutschen Rentenversicherung für das vergangene Jahr ein deutlicher Überschuss.

″Zum Jahresende erwartet die gesetzliche Rentenversicherung einen Überschuss von 2,1 Milliarden Euro. Grund sei nicht nur ein stabiler Arbeitsmarkt. Eine höhere Sterblichkeit durch die Corona-Pandemie führe auch zu weniger Ausgaben″, berichtete die Tagesschau Ende 2022.

Eine schlechtere medizinische Versorgung der älteren Bevölkerung könnte diesen Effekt verstetigen und für eine dauerhafte Erholung der deutschen Rentenversicherung sorgen.