300 Jahre - Gibraltar will weiter eine Kolonie bleiben

Gibraltar hat die Besetzung des sechs Quadratkilometer großen "Affenfelsen" vor 300 Jahren durch das britische Königreich gefeiert - das spanische Königreich ist sauer

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Etwa 17.000 Gibraltarer hielten sich gestern mit einer symbolischen Menschenkette über 12,5 Kilometer die Hand und umrundeten ihren etwa 400 Meter hohen Kalkfelsen. Seit dem 4. August 1704 gehört der "Affenfelsen" zum Vereinigten Königreich, nach dem die Briten den strategisch wichtigen Felsen in der Meerenge zwischen Europa und Afrika eingenommen hatten. Im Vertrag von Utrecht wurde Großbritannien 1713 offiziell die Kontrolle über Gibraltar übertragen.

Die Botschaft an Spanien ist klar, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung händchenhaltend "Happy Birthday, dear Gibraltar" singt. Gegen das Ansinnen der Spanier, wenigstens eine geteilte Souveränität mit den Briten über Gibraltar zu bekommen, will die Bevölkerung am Status quo ihrer Heimat als letzte britische Kolonie in Europa festhalten. Der "Rock Encircling Event" sollte klarmachen, "dass Großbritannien Gibraltar nicht weggeben und Spanien es nicht nehmen kann", machten die Veranstalter der symbolischen Aktion klar, die von der Regierung und allen Parteien begrüßt wurde.

In einer Sondersitzung im Parlament demonstrierten auch die Abgeordneten ihre Einheit in dieser Frage. Einstimmig wurde ein Antrag angenommen, der "Widerstand und Opposition" gegen jede Übergabe von Souveränität an Spanien ausdrückt. Das "Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerung von Gibraltar" wird betont und Briten und Spaniern wird das Recht abgesprochen, "ohne unsere Zustimmung über unsere Zukunft zu sprechen".

Spanien ist empört. Vor allem ereifert sich Madrid über die Teilnahme des Admirals Alan West, Befehlshaber der königlichen Marine, und des britischen Verteidigungsministers Geoff Hoon. Letzterer wurde gestern vom Oppositionsführer und Labour Parteimitglied Joe Bossano im Parlament als "unser Verteidigungsminister" bezeichnet. "Der Tatsache zu gedenken, dass ein europäischer Alliierter, ein Mitglied der Europäischen Union, sich des Gebietsteils eines anderen bemächtigt hat, scheint uns nicht die angemessene Haltung", tönte es aus dem Außenministerium. Für den Minister Miguel Angel Moratinos war es eine "sehr unfreundliche Geste" Londons. Sein Staatssekretär Bernardino Leon erklärte: "Die Wunde von Gibraltar klafft noch immer." Nachdem schon wegen des Besuchs der Prinzessin Ana kürzlich der britische Botschafter von den Spaniern einbestellt wurde, wiederholte sich tragikomisches Schauspiel am Wochenende erneut. Moratinos bestellte Stephen Wright erneut ein, um ihm die "tiefe Enttäuschung" über den Besuch Hoons zu übermitteln.

Der Streit um Gibraltar trägt skurrile Züge in sich, in dem das Gebaren zweier abgehalfterter Kolonialmächte zum Ausdruck kommt. Um so angekratzter die koloniale Ehre, um so heftiger fallen die Reaktionen aus. Um den Willen der Bevölkerung geht es beiden Königreichen nicht. Als sich Spanier und Briten vor zwei Jahren über die Köpfe der Gibraltarer hinweg beinahe auf eine geteilte Souveränität geeinigt hatten, stoppten die das Ansinnen mit einem Referendum. Und deutlicher hätte das Ergebnis nicht ausfallen können. Großbritannien brach die Gespräche mit Spanien ab.

99 Prozent der Bevölkerung lehnten jeden Einfluss Spaniens über Gibraltar kategorisch ab. Auf die Frage: "Nehmen sie eine geteilte Souveränität zwischen Großbritannien und Spanien über Gibraltar an?", stimmen nur 187 Bewohner mit Ja. Auch die Beteiligung von fast 90 Prozent ließ keinen Zweifel daran, dass das Ergebnis repräsentativ war. Gibraltars Regierungschef Peter Caruana feierte das Ergebnis als "Sieg der Demokratie".

Dass gerade Spanien sich in dieser Frage derart ereifert, und diese Politik unter der neuen sozialistischen Regierung bestand hat, kann nur mit einem postkolonialen nationalen Trauma über den Machtverlust erklärt werden. Das Land klammert sich an jeden Felsbrocken, als würde der Verlust das Ende Spaniens bedeuten. Würde Spanien seinen Anspruch auf Gibraltar auf die Chafarinas-Inseln oder die Exklaven Ceuta und Melilla anwenden, die Marokko beansprucht, gäbe es ein paar Konflikte weniger (Keine Akzente, aber viele Konflikte) Statt dessen artete die Besetzung eines Felsbrockens, der Petersilieninsel (arabisch Leila), vor der marokkanischen Küste durch spanisches Militär vor zwei Jahren fast zu einer militärischen Konfrontation aus (Streit zwischen Marokko und Spanien um die Petersilieninsel). Über den dauernden Streit mit den Basken oder Katalanen erst gar nicht zu sprechen.

Warum Gibraltar lieber britische Kolonie bleiben will, als unter spanische Hoheit zu fallen, ist klar. Im Verhältnis zu der angeblich so weitreichenden Autonomie der Basken in Spanien erklärte Joe Bossano: "Wir haben selbst als Kolonie von Großbritannien mehr Möglichkeiten uns selbst zu regieren, als die Basken mit der Autonomie". Gibraltar habe die volle Finanzhoheit und könne Steuern nach belieben erheben. "Praktisch sind wir unabhängig, außer der Verteidigungspolitik und den internationalen Beziehungen."