380 000 Jahre nach dem Urknall
Die WMAP-Sonde hat ein Bild auf die Erde geschickt, das den Zustand des Universums so früh wie noch nie zuvor zeigt
Was da mit roten, blauen und gelben Punkten und Flecken die Wissenschaftler jubeln lässt, ist die Erinnerung aus dem statu nascendi, des Universum vor 13,7 Milliarden Jahren. "Wir haben das junge Universum eingefangen und können von diesem Portrait mit unglaublicher Akkuratesse die Entwicklung beschreiben. Die Daten sind solide, eine wahre Goldmine für die Astronomie." Mit diesen Worten stellt Charles L. Bennett, Leiter des WMAP-Projekts (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) am Goddard Space Flight Center (GSFC), die Ergebnisse vor.
Das von der WMAP-Sonde vermittelte und in sichtbare Farben umgesetzte Bild zeigt den Zustand 380 000 Jahre nach dem Urknall. 4 Prozent Atome, 23 Prozent einer unbekannten dunklen Masse und 73 Prozent mysteriöser Energie, bevor sich Galaxien und Planeten gebildet haben. Neuer und ergiebiger Stoff für die Astronomen, die sich mit dem Big Bang befassen, und Theorie und Wirklichkeit in Einklang bringen wollen.
Als George Gamow vor etwa 60 Jahren den Gedanken einbrachte, das Universum sei durch eine Explosion entstanden, nannte Fred Hoyle das Ereignis "Big Bang" und erklärte es zu einem unendlichen Fließgleichgewicht ohne Beginn und ohne Ende. Aus den nachfolgenden Diskussionen erwuchs die Theorie, wonach der Frühzustand, will heißen die erste Mikrosekunde, unglaublich heiß (10 hoch 11 Grad Kelvin) war, und die elektromagnetischen Echos der Explosion als langwellige Strahlung (cosmic microwave background) den Raum ausfüllen. Drei Minuten Abkühlung sorgten dafür, daß die immateriellen Ursuppe, die vornehmlich aus Elektronen, Positronen, Neutrinos und Photonen bestand, zur Materie kondensierte und zunächst Atome hervorbrachte. Diese Überlegungen waren die Grundlage für das 1989 begonnene COBE-Projekt, dem Cosmic Background Explorer Satelliten. Die neuen Ergebnisse der WMAP-Sonde bestätigen die Abkühlung auf 2,73 Grad Kelvin mit Temperaturschwankungen unter einem Millionstel Grad. Das Bild zeigt unter diesen Voraussetzungen in künstlichen Farben die wärmeren Areale in Rot und die kälteren in Blau an. Was aus dem Bild nicht unmittelbar erkennbar wird, ist die überraschende Erkenntnis, dass es lediglich 200 000 Jahre gedauert hat bis die ersten Sterne geboren waren.
Die Bewertung der bisher ermittelten Daten ist auch deshalb ein Meilenstein, weil sich die Idee von der Ausdehnung des Universums zunehmend objektivieren lässt. Edwin Hubble ist die Beobachtung zu verdanken, dass sich die Galaxien von uns entfernen; je weiter, um so rascher. Manche vergleichen diesen Prozess mit einem Rosinenkuchen: Du sitzt auf einer Rosine und erlebst das gleichmäßige Aufgehen der Torte, womit sich die Position der anderen Rosinen synchron verändert. Der Big Bang ist wie der Teigklumpen, der in die Kuchenform geworfen wird. Die Hefe, das Mehl und die Rosinen liegen anfänglich in komprimierter Form vor und blähen sich unter der energetischen Wirkung der Hefe auf. Im Ofen unter Hitze, im Universum allerdings umgekehrt, nämlich durch die Abkühlung. Ein endlicher oder ein unendlicher Prozess? Das ist die bisher kontrovers diskutierte Frage. "Die Ausdehnung wird unaufhaltsam weiter zunehmen," prophezeit Anne Kinney, NASA Direktor für Astronomie und Physik in Kenntnis der neuen Daten.
Über allem steht der Stolz von Charles L. Bennett und seinem Team: die Zuordnung des Zeitfensters ist mit 13,7 Milliarden Jahren bei einer Fehlerquote von weniger als 1 Prozent berechnet worden. Zweifellos eine Höchstleistung für die Techniker und Wissenschaftler, die WMAP im Juni 2001 in den Weltraum schickten. Dennoch: es bleibt viel zu tun. Etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, soll die Sonde weitere 3 Jahre dem cosmic microwave background folgen.
Das Beispiel mit dem Rosinenkuchen hat mich immer schon fasziniert. Wer weiß schon, ob die Hefe dauerhaft wirkt. Mancher Kuchen geht erst ganz gut, und fällt dann zusammen. Andere werden mitunter "glitschig", das meint stellenweise zu feucht. Und wieder andere brechen an der einen oder anderen Stelle auf. Dessen ungeachtet wollen wir uns an der Kindheit des Universums erfreuen. Das Alter, der wahre Ausgang nämlich, wird uns erst in 50 Milliarden Jahren ereilen, mutmaßen einige Astronomen.