Ab heute: Licht aus!

"Earth Overshoot Day": Ab dem heutigen Tag leben die Deutschen auf Kosten anderer. Jetzt werden Ressourcen geplündert.

Bauholz, Frischluft, Fisch, Wasser, Getreide: Heute ist der Tag, an dem alle erneuerbaren Rohstoffe, die ein sich selbst erneuernder Planet in einem Jahr zur Verfügung stellen kann, in Deutschland aufgebraucht sind. Nach Berechnungen des Global Footprint Network bräuchte die Menschheit derzeit statistisch 1,75 Erden, um den Planeten nicht zu überlasten.

Wenn diese verfügbaren Ressourcen zu gleichen Anteilen auf alle Länder gemäß der Zahl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner verteilt würden, wäre heute Schluss in der Bundesrepublik mit Mittagessen, Duschen, Autofahren und Telefonieren, ab heute leben die Deutschen auf Kosten anderer.

Seit 1961 wird der "Earth Overshoot Day" berechnet, im zweiten Stock eines Hauses in Oakland, Kalifornien, arbeiten Wissenschaftler, um dieses Datum mithilfe des ökologischen Fußabdrucks ganz genau zu errechnen. Dieser ist ein Indikator für die Nutzung der biologischen Kapazität und Regenerationsfähigkeit der Umwelt. Und jedes Jahr erschrecken die Experten aufs Neue.

Denn der "Earth Overshoot Day" verschiebt sich immer weiter nach vorn im Jahr.

1987 lebte die Menschheit erstmals auf zu großem Fuß

Der Overshoot Day war der 19. Dezember 1987. 1995 hatten die Menschen bereits am 21. November jene Ressourcen verbraucht, die eigentlich bis zum Jahresende reichen müssen. 2011 war es der 21. August; 2022 bereits der 28. Juli. Theoretisch dürften wir Menschen dann der Natur keine Rohstoffe mehr entnehmen, nicht einmal mehr Trinkwasser. Weil wir es aber natürlich trotzdem weiterhin tun, zapfen wir das grüne Kapital der Erde an: Wir leben quasi auf Pump.

Immer mehr, immer schneller: Jedes Jahr rückt der "Earth Overshoot Day" weitere Tage im Jahr nach vorn. Einzig das Jahr 2020 bildete eine Ausnahme, die weltweite Corona-Pandemie sorgte dafür, dass der Erdüberlastungstag zurück auf den 22. August fiel. Aber dies war laut Global Footprint Network nur kurzfristig – schon im Jahr 2021 hatte der Earth Overshoot Day wieder das Niveau von 2019 erreicht.

Den größten Anteil an der ökologischen Überschuldung hat das Treibhausgas Kohlendioxid. Wir stoßen davon deutlich mehr aus, als die Erde absorbieren kann. Global betrachtet machen die Kohlendioxid-Emissionen mehr als die Hälfte unseres Fußabdrucks aus. Den produzierten Treibhausgasen wird jene Fläche gegenrechnet, die nötig wäre, um die gleiche Emissionsmenge an auf natürliche Weise langfristig zu binden – etwa in Wäldern.

Einerseits steigen die menschgemachten Emissionen jedes Jahr weiter an, 2021 waren es 37,123 Milliarden Tonnen Treibhausgasäquivalente, so viel wie nie zuvor. Gleichzeitig schrumpft aber die Biokapazität der Erde, weil immer mehr Wald abgeholzt wird.

Allein in Brasilien gingen 2020 rund 1,1 Millionen Hektar Wald verloren, in diesem Jahr könnten es nochmals bis zu 43 Prozent mehr werden. Auch der Bedarf an Flächen, Wasser, Ackerland und Fischgründen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen, steigt immer weiter.

Drei Erden wären nötig

Dabei ist das Plündern der natürlichen Ressourcen weltweit unterschiedlich verteilt: Würden alle auf der Welt so leben wie die Amerikaner, wären fünf Erden notwendig, um die Nachfrage nach Rohstoffen zu decken. Würden alle so haushalten wie wir Deutschen, wären drei Erden nötig.

Hauptgründe sind der im globalen Durchschnitt deutlich höhere Energieverbrauch sowie die immer noch übermäßige Belastung von Luft, Böden und Grundwasser – unter anderem durch Verkehr und Massentierhaltung.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland fordert deshalb eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung für ein Ressourcenschutzgesetz und hat dafür ein Positionspapier erarbeitet.

Der rechtliche Rahmen muss so angepasst werden, dass der Ressourcenverbrauch reduziert wird. Das geht nur mit einem Ressourcenschutzgesetz. Um Klimakrise und Artensterben einzudämmen, muss der Ressourcenverbrauch bis 2050 um 85 Prozent sinken.

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND

Das entwicklungspolitische Inkota-Netzwerk fordert zudem eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. In dieser solle "die Senkung des Rohstoffverbrauchs verbindlich verankert werden", erklärte Rohstoff-Referent Julius Neu.