Abbas und Olmert wollen "Vertrauen aufbauen"
Palästinensische Regierung skeptisch gegenüber israelischen Zusagen
„Das Treffen zwischen Präsident Abbas und Ehud Olmert hat einzig zum Ziel, das hässliche Bild der israelischen Besatzung zu beschönigen“, erklärte Ghazi Hamad, Sprecher des palästinensischen Regierungschefs Ismail Haniya (Hamas), nachdem Abbas von seinem unerwarteten Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten letzten Samstagabend zurückkam. Auf dem ersten Treffen zwischen den beiden Politikern wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart. Israel will die Warenein- und ausfuhr in den Gazastreifen erleichtern und die Blockade palästinensischer Straßen innerhalb des Westjordanlands lockern. Man denkt auch über die Freilassung eines Teils der über 8.000 palästinensischen politischen Gefangenen in Israel nach. Dies soll allerdings erst erfolgen, wenn palästinensische Gruppen den einzigen israelischen Gefangenen, einen im Juni entführten Soldaten, wieder frei geben.
Die für Abbas wichtigste Meldung war jedoch sicherlich die angekündigte teilweise Herausgabe der palästinensischen Steuer- und Zolleinnahmen. 80 Millionen Euro sollen überwiesen werden. Das ist etwa ein Fünftel der Summe, die Israel seit der palästinensischen Regierungsbildung durch die Hamas im März zurückhält. Der Betrag soll direkt an Präsident Abbas (Fatah) fließen und nicht an die im Januar gewählte Hamas-Regierung, die international boykottiert wird. Es wird damit gerechnet, dass der Löwenanteil der Summe für Gehaltszahlungen der über 160.000 Angestellten der Autonomiebehörde verwendet wird. Die Beamten werden seit März nur unregelmäßig entlohnt. Zehntausende sind aus Protest gegen die bankrotte Regierung im Streik.
Die Hamas zeigte sich skeptisch gegenüber Olmerts Ankündigungen. „Es werden leichte Veränderungen hier und da gemacht, die von der internationalen Öffentlichkeit auch sofort begrüßt werden“, so der palästinensische Regierungssprecher Hamad. „Aber das eigentliche Problem, die israelische Besatzung und die Militäraktionen, wird dabei ignoriert.“ Hamad zeigte sich überrascht über die „freundliche Atmosphäre“ des israelisch-palästinensischen Gipfeltreffens. So sei die Atmosphäre nicht gewesen, als sich Präsident Abbas letzte Woche mit Premierminister Haniya zur Schlichtung des internen Konflikts traf.
Die bewaffneten Kämpfe zwischen Fatah und Hamas greifen seit zwei Wochen vom Gazastreifen auch auf das Westjordanland über, gehen bisher allerdings von Fatah-Anhängern aus. Einmal griffen Mitglieder der Präsidentengarde (Fatah) eine Hamas-Demonstration in Ramallah an. Letzten Freitag überfielen Fatah-Milizionäre eine Hamas-Veranstaltung in Nablus. Sechs Menschen wurden durch Schüsse verletzt. Die Hamas gab an, einen der Angreifer in ihrer Gewalt zu haben und ihn nach seinen Auftraggebern zu befragen.
Vor diesem Hintergrund wird die israelische Einwilligung zum von Abbas seit Monaten geforderten Treffen in den palästinensischen Gebieten allgemein kritisch betrachtet. Der palästinensische Präsident kündigte vor zehn Tagen Neuwahlen an, als Gespräche zur Bildung einer Einheitsregierung scheiterten. Seit dieser Ankündigung wird Abbas von Israel, der USA und europäischen Ländern neu umworben. Eine Unterstützung, die ihm und seiner Fatah-Partei gar nicht gut bekommt. „Israel geht es doch nur darum“, so Ahmad H., Elektriker in Ramallah, „die interne Spaltung auf die Spitze zu treiben. Eine Einheitsregierung würde ja bedeuten, dass sich die Palästinenser wieder auf Verhandlungen für ein Ende der israelischen Besatzung konzentrieren könnten.“
In den palästinensischen Gebieten geht derzeit nur die alte Fatah-Führung davon aus, dass vorgezogene Neuwahlen tatsächlich stattfinden. Die Hamas wird nicht mitmachen. Und auch wenn die Fatah laut Umfragen in puncto Beliebtheit ein wenig über der Hamas liegt: Erstere ist immer noch so unorganisiert und von Eigeninteressen ihrer Mitglieder bestimmt, so dass wie vor einem Jahr nicht einmal die Bildung einer gemeinsamen Wahlliste möglich ist.
Politische Beobachter gehen deshalb davon aus, dass die Ankündigung von Neuwahlen nur als Druckmittel auf die Hamas dient, bei der Bildung einer Einheitsregierung mehr Ministerposten der Fatah zuzustehen. „Vorgezogene Wahlen bieten keine Lösung für den internen Konflikt“, so der Journalist Khalil Schahin aus Ramallah. Es gehe im Moment darum, alle politischen Strömungen gerecht an Entscheidungsfindungen zu beteiligen. „Diese Herausforderung muss jetzt von allen angegangen werden. Neuwahlen werden die derzeitige Krise aber nur verschärfen.“ Und zu einer Lösung trage es auch nicht bei, das palästinensische politische System an regionalen und internationalen Bedingungen auszurichten.
In den palästinensischen Gebieten wird ansonsten der Vorschlag Ahmad Jussefs diskutiert. Jussef, der politische Berater von Ministerpräsident Ismail Haniya, bietet Israel eine umfassende Waffenruhe an, nachdem sich die Besatzungsmacht vollständig aus Westjordanland und Gazastreifen zurückgezogen hat. „Das sind ureigenste europäische Forderungen“, so Jussef. Er formulierte sein Papier entlang der Beschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die die israelische Besiedlung der 1967 besetzten Gebiete zwar für illegal erklären, jedoch nicht umgesetzt werden.
Das Papier spiegelt die palästinensische Mehrheitsmeinung wider, das zeigen Umfragen der letzten Jahre. Allerdings wird es international keine Beachtung finden, solange die Anerkennung Israels darin nicht festgeschrieben wird. „Wir akzeptieren einen (palästinensischen) Staat innerhalb der Grenzen von 1967 (Westjordanland und Gazastreifen)“, sagte Regierungssprecher Hamad. „Aber eine einseitige Anerkennung Israels durch Palästinenser, so lehrt die jüngere Geschichte, bedeutet nicht, dass sie auch unsere Rechte anerkennen.“