Abrüstung jetzt – auch sprachlich!

Seite 3: Wollen wir wirklich "Russland ruinieren"?

Für den zweiten Aspekt dieser kurzen Analyse sei dieses Beispiel exemplarisch: Außenministerin Annalena Baerbock sagte kürzlich mit Blick auf bestimmte Sanktionen: "Das wird Russland ruinieren". Sie sagte gerade nicht: "Das wird Putin ruinieren" oder auch "Das wird Putins Regime ruinieren" oder Ähnliches. Nein, sie sagte, das werde "Russland ruinieren".

Da die Außenministerin sich als Diplomatin versteht und auch kein Dementi dazu bekannt wurde, dürfen und sollten wir auch diese Ansage und Aussagen dieser Art ernst nehmen, zumal die Ministerin von etlichen Medienschaffenden hierzulande dieser Tage geradezu gefeiert wird für ihr "Tacheles reden".

Auch diese Wortwahl, dieses "Wording" der Verallgemeinerung im Sinne einer Über-Vereinfachung scheint kein Ausrutscher oder Einzelfall: Das Handelsblatt schreibt: "Russland hat einen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet". Nicht: "russisches Militär" oder "Putins Regime", nein, "Russland".

Entsprechend titelt die Tagesschau jüngst: "Russland beschränkt unabhängige Medien". Nicht "russische Behörden" oder wer auch immer – sondern "Russland".

In gewisser Weise wird hier eine Komplementär-Kommunikation zur auf "Putin" fokussierten re- und dekonstruierbar: Ganz "Russland" wird angesprochen und gemeint, und damit (leider) viele/alle Menschen, die dort leben. Nicht zuletzt die dortigen mutigen Friedensdemonstrierenden und sonstigen Regierungskritiker:innen.

Auch dieses Wording entspricht dem Framing von "Wir gegen sie" und dürfte kaum dazu beitragen, dass es zu einem möglichst sofortigen Waffenstillstand, zum raschen "Alle Waffen nieder", zum Ende dieses Krieges und damit zum Schutz aller möglichen Menschenleben vor Tod, Verletzung oder Flucht kommt.

Daher sollte uns klar sein: Auch sprachliche Aufrüstung ist und bleibt – Aufrüstung.