Abrüstung jetzt – auch sprachlich!
- Abrüstung jetzt – auch sprachlich!
- Wladimir Putin, die "Lügen" und der "Wahn"
- Wollen wir wirklich "Russland ruinieren"?
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Aufgerüstet wird angesichts des Angriffes russischer Truppen auf die Ukraine vielerorts. Auch in der politischen Sprache und jener der Medien
Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin hat am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Dieser ist – wie jeder Angriffskrieg – völkerrechtswidrig und auf das Schärfste zu verurteilen. Viele Menschen werden getötet oder verletzt oder verlieren ihr Zuhause.
Auch ich habe diese Invasion kaum für möglich und jedenfalls nicht für wahrscheinlich gehalten. Selbst wenn mir Putin bereits lange vor diesem Krieg als sehr konservativer, nationalistischer Machthaber galt, an der Spitze eines bestimmten, russischen Imperialismus.
Doch wie nun weiter? Um Lösungsmöglichkeiten für die dramatische Lage in und um diesen Krieg zu debattieren, zum Beispiel im Sinne eines Konstruktiven Journalismus, bedarf es auch hierzulande kritischer, nicht zuletzt selbstkritischer Öffentlichkeiten.
Einige Aspekte des in hiesiger Regierungspolitik und vielen Medien herrschenden Diskurses sollen hier in diesem Sinne (selbst-)kritisch diskutiert werden. Die russisch-staatliche (Kriegs-)Propaganda wiederum ist aus Ressourcengründen nicht Thema dieses Textes.
"Wladimir Putin vergeht sich am ukrainischen Volk", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am 1. März dieses Jahres. Diese Wortwahl, dieses "Wording", ist sicher kein Zufall, vor allem nicht bei dem als bedacht geltenden Kanzler, wenn wir Aussagen dieser Art medienanalytisch betrachten.
Welcher Zusammenhang, welcher Kontext wird hier im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie angesprochen und damit, zumindest in der Tendenz, auch hergestellt und aktiviert? Also: Wer "vergeht" sich alltagssprachlich betrachtet an wem? Die hier stattfindende Übertragung ist bemerkenswert – in bekannten Kontexten vergehen sich Triebtäter an Wehrlosen, also zum Beispiel Vergewaltiger/Lustmörder an Kindern.
Mit Blick auf etwaige Konfliktlösungen im Sinne von Verhandlungsfenstern lässt sich konstatieren: Wie auch immer solch eine medien-reale Metapher in der Sache furchtbarerweise sogar Entsprechungen in der vor- und außermedialen Realität haben mag – als Regierungschef jemanden und etwas so zu bezeichnen, dürfte zweierlei bewirken (sollen).
Mit Blick auf "das eigene Lager" weitere Emotionalisierung und fortgesetztes Schließen der Reihen, mit Blick auf "das feindliche Lager" eine weitere buchstäbliche Verhärtung der Fronten: Mit solchen Leuten - oder ihren Mittelsmännern - kann man nicht reden, das wäre (weil: die sind) absolut unanständig – Rufe nach "kurzem Prozess" wären dann zumindest am gerne zitierten Stammtisch nicht weit.
Diese Wortwahl, dieses "Wording" ist ganz sicher kein Einzelfall dieser Tage. Der Fraktionschef der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), sagt: "Putin ist ein Verbrecher und Mörder.