Absage Chinas an US-Staatsanleihen: Die siamesischen Zwillinge werden getrennt

Zentralbank in China. Bild: bfishadow / CC BY 2.0 Deed

Beijings Zentralbank trennt sich Schritt für Schritt von ihren Treasuries. US-Firmen ziehen wiederum ihre Investitionen aus China ab. Eine Entkopplungsgeschichte.

Es gab Zeiten – gerade zehn Jahre ist es her –, da waren die Volkswirtschaften der USA und Chinas sowie ihre Finanzsphären so eng miteinander verknüpft, dass sie siamesischen Zwillingen glichen, wenn auch sehr ungleichen. Manchem Beobachter erschienen die großen wechselseitigen Abhängigkeiten gar als Garant für ein friedliches Miteinander.

Rund ein Drittel aller chinesischen Exporte gingen in die USA, die diese vor allem mit einer wachsenden Auslandsverschuldung finanzierten, mit Kredit, den nicht zuletzt China selbst gab. Zeitweise hielt die chinesische Zentralbank 2011 US-Staatsanleihen (Treasuries) im Wert von bis zu 1,3 Billionen US-Dollar. 2013 wurde dieser Höchstwert noch einmal erreicht.

Entkopplung nimmt Fahrt auf

Doch während sich die USA in der Zwischenzeit immer weiter im Ausland verschuldete – die Funktion des US-Dollars macht es möglich –, hat China in den vergangenen Jahren seinen Treasury-Bestand abgebaut.

Zuletzt hatte er noch einen Wert von 782 Milliarden US-Dollar. Und während der chinesische Staat 2011 noch 14 Prozent aller ausgegebenen US-Staatsanleihen hielt, sind es derzeit nur noch drei Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet.

Chinas Währungsreserven belaufen sich insgesamt auf 3,24 Billionen US-Dollar, wovon noch immer über diverse Kanäle schätzungsweise 60 Prozent in US-Dollar gehalten werden und der Rest in anderen Währungen wie dem Euro, dem Schweizer Franken oder dem japanischen Yen. Aber die finanzielle Entkoppelung hat parallel zur entsprechenden Entwicklung im Warenaustausch Fahrt aufgenommen, und sie verläuft nicht einseitig.

US-Kapital zieht Investitionen aus China ab

US-Firmen und -Fonds haben in den letzten Jahren massiv Investitionen aus China abgezogen und einige Beobachter meinen, das könnte einer der Gründe für die derzeitigen Berg- und Talfahrten der chinesischen Aktienmärkte sein. Im dritten Quartal 2023 verlor die Volksrepublik zum ersten Mal seit Beginn der Öffnungspolitik Anfang der 1980er-Jahre mehr ausländische Direktinvestitionen als zugleich ins Land flossen, und zwar 12 Milliarden US-Dollar. Das Kapital flösse aus China ab und der USA zu, meint Reuters.

Ansonsten ist China aber nicht der einzige Staat, der sich aus den einst bei Zentralbanken sehr beliebten Treasuries zurückzieht. Einerseits strebt die US-Staatsverschuldung immer neuen Rekorden entgegen. Die Schuldverschreibungen haben inzwischen den sagenhaften Umfang von 26 Billionen US-Dollar (93 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts). Das ist immerhin das Fünffache des Standes vor dem Beginn der großen Immobilien- und Börsenkrise 2007.

Andererseits wird das Gros jedoch von Privatpersonen und privaten Gesellschaften gehalten. Ausländische Zentralbanken haben in ihren Portfolios Treasuries mit einem Wert von nur noch 3,8 Billionen US-Dollar. Weitere gut drei Billionen US-Dollar werden von Privaten im Ausland gehalten, und mit fast 20 Billionen US-Dollar ist der US-Staat im Inland verschuldet.