Abschiebe-Wahlkampf: Wer überholt wen von rechts?
Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen? Sogar ein AfD-Politiker nannte Vorschlag von CDU-Chef Merz rassistisch. Dabei blieb es nicht. Was bleibt vom Asylrecht?
Die politischen Vorstöße für mehr Abschiebungen und Abschottung überschlagen sich in den letzten Tagen vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Nicht nur die AfD tut sich dabei hervor.
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein spricht von einem Überbietungswettbewerb, kritisiert dafür insbesondere CDU-Chef Friedrich Merz und ist sicher: "Der Anschlag von Solingen soll für die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl genutzt werden."
Merz will nach eigenen Worten die Ausrufung einer "nationalen Notlage", um eine Wende in der Asyl- und Migrationspolitik zu erzwingen. Dazu bot der Oppositionsführer am Dienstag in den Räumen der Bundespressekonferenz eine Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an und stellte dabei auch Gesetzesänderungen in den Raum.
Merz bestreitet, Asylrecht im GG ändern zu wollen
Das Asylrecht im Grundgesetz will Merz aber angeblich nicht ändern – was nach Einschätzung mancher Asylrechtsanwälte notwendig wäre, um einen pauschalen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan zu verhängen, wie Merz es vor wenigen Tagen gefordert hat.
Lesen Sie auch:
Asylrecht unter Beschuss: Das sagt ein Pfarrer im Wahlkampf
Nancy Faeser geht an Grenzen: Aktionismus mit flexiblem Inhalt
Von Meloni abgeschaut? FDP-Politiker erwägt Asylverfahren in Ruanda
Terror in Solingen und Folgen: Was deutsche Behörden dürfen und was nicht
Das Asylrecht sollen nicht die Falschen abschaffen: GEAS und die brutalen Folgen
Er fordere Scholz auf, "mit uns zusammen schnell Entscheidungen zu treffen", hatte Merz nach dem für drei Menschen tödlichen Messerangriff eines syrischen Islamisten in Solingen am Wochenende auf der Plattform X verlauten lassen. "Nach Syrien und Afghanistan kann abgeschoben werden, weitere Flüchtlinge von dort nehmen wir nicht auf."
Grüne: Merz schürt Misstrauen gegen Rechtsstaat
Dem wollte Scholz so pauschal nicht zustimmen: "Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten", stellte der Kanzler im ZDF-Interview klar. Merz argumentierte dagegen, ein faktischer Aufnahmestopp sei nach geltendem Recht machbar, da betroffene Personen durch andere Schengen-Länder gereist seien, wo sie Asyl hätten beantragen müssen.
Sein Vorschlag, mit Scholz zusammenzuarbeiten, richtete sich im Endeffekt klar gegen die Grünen als dessen Koalitionspartner. Sie werfen Merz politische Zündelei vor. "Er operiert mit dem Begriff 'Notlage' und spricht damit gewissermaßen ein Misstrauensvotum gegen unseren demokratischen Rechtsstaat aus, statt ihn gegen seine Feinde zu verteidigen", erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, laut einem Bericht des ZDF an diesem Mittwoch.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hält Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan in Einzelfällen für möglich, verweist aber darauf, dass es sich um Diktaturen handle. Wer in Deutschland schwere Straftaten begehe, müsse zunächst hier verurteilt werden und ins Gefängnis.
AfD-Mann wirft Merz "populistische Kackscheiße" vor
Überraschend hatte sogar ein AfD-Politiker erklärt, er finde Merz’ Vorschlag "rassistisch und falsch": Nicht Christen oder andere verfolgte Minderheiten aus Syrien oder Afghanistan seien ein Problem, "sondern wir haben ein Problem mit radikalen Muslimen", so Martin Sichert, der sonst als Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion für Gesundheitspolitik fungiert. In diesem Fall vertrat er allerdings eine klare Minderheitenposition innerhalb seiner Partei.
Nach einem beachtlichen "Shitstorm" aus AfD-Kreisen und Umfeld ist Sichert inzwischen zurückgerudert. In einer Videobotschaft stellte er am Dienstag auf X klar, dass er einen "kompletten Aufnahmestopp für Asylbewerber" fordere. Schließlich bringe es nichts, nur Syrer und Afghanen nicht mehr aufzunehmen, wenn dann "mehr Leute aus Somalia kommen, aus Tunesien, aus Tschetschenien und sonst woher".
Stattdessen könnten "wir" sagen: "Ja, Deutschland ist voll" und erst einmal schauen, "was das für Leute sind, die hier bei uns im Land sind", so Sichert, dem seine Parteifreunde zuvor eine unpatriotische Haltung vorgeworfen hatten, weil er sich um fremde Minderheiten kümmere. Nicht nur in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit wurde die Frage aufgeworfen, ob er sich vielleicht in der falschen Partei befinde.
In seinem Video warf Sichert Merz allerdings weiterhin "populistische Kackscheiße" vor: Christliche Syrer und Afghanen seien schließlich nie ein Problem gewesen.
Sicherts Parteifreund Maximilian Krah, der für die AfD im Europaparlament sitzt, gilt dagegen als Hardliner des völkischen Flügels. Nachdem Merz bestritt, das Asylrecht im Grundgesetz ändern zu wollen, kommentierte Krah auf X nur: "CDU, wie immer".