Migration als Wahlkampfthema: Was fordern die Parteien wirklich?

Symbolbild: Stacheldraht

Asylrechtsverschärfungen und Abschottung sind kein Alleinstellungsmerkmal im AfD-Wahlprogramm. Symbolbild: Pixabay Licence

Die AfD will eine Kehrtwende in der Migrationspolitik. Sie meint damit mehr Abschottung. Dabei gab es bereits zu Ampel-Zeiten einen klaren Trend.

Migration und Asylpolitik werden von mehreren Parteien als eines der wichtigsten Wahlkampfthemen betrachtet.

Die Unionsparteien fordern eine "grundlegende Wende" in der Migrationspolitik, die AfD eine "Kehrtwende". Letzteres meint wohl keine Trendumkehr, sondern eher eine Beschleunigung des vorhandenen Trends, denn auch SPD, Grüne und FDP haben während der Ampel-Koalition Verschärfungen des Asylrechts beschlossen. AfD und Unionsparteien planen weitere, wenn auch nicht gemeinsam.

Asylpolitik der Ampel: Rigider als ihr Ruf?

Im Oktober 2023 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber dem Spiegel erklärt: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben. Mit dem "Rückführungspaket" der Ampel wurde unter anderem die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert, um Abschiebungen besser vorbereiten zu können.

Das "Sicherheitspaket", auf das sich die Ampel-Parteien im August dieses Jahres einigten, beinhaltet nicht nur die erleichterte Ausweisung und Abschiebung von Straftätern mit ausländischer Staatsbürgerschaft, sondern auch die Streichung von Sozialleistungen für Asylsuchende, für die nach den "Dublin-Regeln" ein anderes europäisches Land zuständig ist, wenn dieses der "Rücknahme" zustimmt.

Im Frühjahr 2024 stimmte Deutschland zudem schärferen EU-Asylregeln zu, die unter anderem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vorsehen. Auch SPD-Abgeordnete hatten sich dafür ausgesprochen.

Neues SPD-Regierungsprogramm: Wohin mit Asylverfahren?

In ihrem Entwurf eines Regierungsprogramms für die Zeit nach der Bundestagswahl im Februar 2025 steht die SPD nur noch teilweise zur Asylpolitik der letzten drei Jahre. Dort heißt es:

Rückführungen sollen human und konsequent erfolgen. Freiwillige Ausreisen bevorzugen wir, da sie humaner sind. Wird dies verweigert, setzen wir auf rasche wie konsequente Abschiebungen, insbesondere bei Straftätern. Die Externalisierung von Asylverfahren lehnen wir ab. Schutzsuchende müssen Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Verfahren in der EU erhalten.

Aus dem Entwurf für ein SPD-Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2025

Einwanderungsland, aber nicht für alle: Die Vision der Grünen

Die Grünen betonen in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei und bleibe. "Wir wollen eine funktionierende und pragmatische Flucht- und Migrationspolitik, die Humanität und Ordnung verbindet", heißt es dort. Entgegen dem "No Border"-Image, das den Grünen vor allem in rechtskonservativen Kreisen anhängt, heißt es weiter:

Nicht jede bzw. jeder, die bzw. der nach Deutschland kommt, kann bleiben. Wer nach individueller Prüfung auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht hat und bei dem keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen, muss zügig wieder ausreisen.

Die freiwillige Rückkehr hat für uns Vorrang. Ausreisepflichtige, die schwere Straftaten begangen haben, müssen nach Verbüßung ihrer Straftaten prioritär zurückgeführt werden.

Aus: "Zusammenwachsen – Regierungsprogramm 2025 / Entwurf des Bundesvorstands Bündnis90/Die Grünen

FDP: Bloß keine Armutsmigration

Die FDP fordert unter der Überschrift "Für eine neue Realpolitik in der Migration" die "unverzügliche" Ausreise von Personen ohne Bleiberecht, eine Zentralisierung der Abschiebepolitik und spricht sich explizit dafür aus, dass Asylverfahren auch in Drittstaaten stattfinden sollen:

Rückführungen scheitern jedoch zu oft am Vollzug durch die Bundesländer. Deswegen wollen wir die Zuständigkeit für Abschiebungen auf der Bundesebene zentralisieren. Asylverfahren und Asylgerichtsverfahren müssen weiter beschleunigt werden. Asylverfahren sollen zudem auch in Drittstaaten stattfinden, wenn Schutzsuchende dort sicher und rechtstaatliche Verfahren gewährleistet sind. Wir fordern zudem geordnetes Verfahren zur Feststellung von mehr Sicheren Herkunftsstaaten.

Aus: Alles lässt sich ändern – Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 2025

Grundsätzlich lehnt die FDP vor allem Armutsmigration ab, befürwortet aber die Einwanderung fertig ausgebildeter Fachkräfte.

CDU und CSU für Zurückweisungen an deutschen Grenzen

Letzteres ist weitgehend kompatibel mit den Forderungen der Unionsparteien, die sichaußerdem für "Zurückweisungen an deutschen Grenzen" aussprechen.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf "zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland" (Zustrombegrenzungsgesetz, 20/12804) brachte die Unionsfraktion im Herbst in den Bundestag ein, er wurde aber im Zuge der Regierungskrise vorerst nicht debattiert und abgestimmt.

BSW: Migrations- und Asylpolitik als Abspaltungsgrund

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnt die Aufnahme von Personen aus "sicheren Drittstaaten" ab und plant den Entzug von Sozialleistungen für Personen ohne Aufenthaltsrecht. Die Positionen der Parteigründerin zur Migrations- und Asylpolitik waren neben der Klimapolitik ein wesentlicher Grund für die Abspaltung des BSW von der Partei Die Linke.

Linke will alle Asylrechtsverschärfungen rückgängig machen

Im Entwurf der Linken für ihr Wahlprogramm heißt es unter der Überschrift "Niemand flieht freiwillig":

Wir wollen legale und sichere Einreisemöglichkeiten in die EU. Das entzieht Schleppern die 2509 Geschäftsgrundlage. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die UN-Kinderrechtkonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention müssen eingehalten werden. (...)

Asylrecht ist Menschenrecht. Wir lehnen alle bisherigen Asylrechtsverschärfungen ab. Der individuelle Zugang zu Asylverfahren und Rechtsschutz muss für Asylsuchende an den EU-Außengrenzen sichergestellt werden. Schnellverfahren und Inhaftierung von Schutzsuchenden (ob in sogenannten Rückkehr-, Transit-, kontrollierten Zentren oder "Hotspots") lehnen wir ab.

Zudem fordert Die Linke die Auflösung der EU-Grenzschutzagentur Frontex, die sie als "Abschottungsagentur" bezeichnet, und deren Ersetzung durch "ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm".

AfD für Grenzzäune und Zurückweisungen

Etwas ganz anderes meint die AfD mit "Kehrtwende in der Migrationspolitik": Unter diesem Motto forderte sie im Herbst die Bundesregierung auf, die Bundesgrenze auch durch eigene Grenzzäune kontrollierbar zu machen sowie jeden zurückzuweisen, der "unberechtigterweise aus einem sicheren Transitland einreisen will und daher kein Anrecht auf Asyl haben kann".

In der Konsequenz müsste auch die CDU/CSU-Fraktion ein solches Grenzregime fordern, wenn sie "Zurückweisungen an deutschen Grenzen" praktisch umsetzen will. Noch lehnt sie aber offiziell eine Zusammenarbeit mit der AfD ab.